Seite - 105 - in Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Band 1
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Hoppe-Harnoncourt Altdeutsche Malereischule
Maler und Wissenschaftler: Johann Peter Krafft und sein Sohn Albrecht
verändern die Gemäldegalerie
Nach dem frühen Tod des Galeriedirektors Joseph Rebell übernahm 1828 Johann Peter
Krafft dieses Amt. Die Galerie erlebte gerade eine großangelegte Renovierung der Räu-
me, und auch die Gemälde wurden mittels neuer Methoden einer Restaurierung unter-
zogen.102 Spätestens Anfang der 30er Jahre nahm Krafft eine neue Einteilung der Gemäl-
deschulen im zweiten Stock vor. Nach Vollendung der Galerieeinrichtung wurde 1837 ein
Katalog herausgegeben.103 Dies ist das erste gedruckte Verzeichnis seit Mechels Publika-
tion von 1783 (bzw. 1784), in dem auch der zweite Stock der Galerie dokumentiert ist.
In Anlehnung an den Vorgänger ist ein Grundriss als Übersichtsplan beigelegt (Abb. 6),
der sich jedoch auf oberflächliche Angaben beschränkt. Der zweite Stock war, wie bei
Mechel, der altdeutschen und der altniederländischen Schule gewidmet. Allerdings nicht
gegenüberliegend, sondern in den vier Räumen des Ostflügels ineinander verflochten.
Die von Füger eingeführte Schule der altitalienischen Gemälde hat Krafft nicht mehr wei-
tergeführt. Nun war auch eine eigene Abteilung für die moderne Schule in den vier Zim-
mern des Westflügels vorgesehen. Diese sollte durch Ankäufe ständig erweitert werden
und wurde daher im Katalog der alten Meister nicht mit einbezogen.104 Der Autor des Ka-
talogs war Albrecht Krafft, der Sohn des Galeriedirektors. Er arbeitete nicht als Künstler,
sondern brachte sich wissenschaftlich als Kunstschriftsteller ein. Dies war ein früher, letzt-
lich aber vergeblicher Versuch seitens des Direktors, einen Wissenschaftler an der Gemäl-
degalerie zu etablieren.105 Nun konnte der Autor die seit über 50 Jahren nicht veränder-
ten Zuschreibungen und Datierungen dem aktuellen Wissensstand anpassen und publi-
zieren. Neben der Korrektur der Lebensdaten und der Herkunft Tommasos da Modena
wurden auch die Dürer-Monogramme auf den beiden oben genannten Madonnen-Bil-
dern von Joos van Cleve kritischer betrachtet: Diese sind im Katalog als falsch ausgewie-
sen und die Gemälde folglich einem „Niederdeutschen Nachahmer“ Dürers zugeschrie-
ben.106 Unter anderem zeigen diese Hinweise aus dem Katalog, dass Albrecht Krafft den
Anspruch erhob kritisch und kunstwissenschaftlich zu arbeiten. Die differenzierte Ausein-
andersetzung mit Meinungen aus der Kunstliteratur sowie „ästhetische und kunsthistori-
sche Bemerkungen und Erläuterungen“ sollten erst in einem zweiten Teil, einem „raisoni-
renden Katalog“ erfolgen.107
Die Neuordnung der deutschen Gemälde von 1837
Der Katalog von 1837 dokumentiert Peter Kraffts Auswahl und die neue Ordnung der Ge-
mälde. Es ist bemerkenswert, dass die Einteilung bis zur Übersiedlung in das „Kunsthisto-
rische Hofmuseum“ 1892 nur geringfügig verändert wurde. Das erste Zimmer im zweiten
Stock mit den Gemälden der deutschen Schule blieb sogar erhalten. Wie nach Mechels
Einrichtung von 1781 waren hier die Werke aus der alten deutschen Schule von den „äl-
testen Zeiten“ bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts zu sehen.108 Da die Wandaufris-
se in Bleistiftzeichnungen 1891 dokumentiert worden sind,109 lässt sich die Anordnung der
Gemälde von 1837 verlässlich rekonstruieren. Die Wand mit der Eingangstüre im ersten
Zimmer (Abb. 7) zeigt, dass die symmetrische Anordnung gegenüber einer streng chrono-
logischen Abfolge der Gemälde dominiert: Das Triptychon von Tommaso da Modena und
die Kreuzigung aus dem 15. Jahrhundert stechen durch den Goldgrund besonders hervor.
In symmetrischer Anordnung flankieren sie ein großes Gemälde aus dem 16. Jahrhundert,
das sich durch die Darstellung einer Renaissance-Architektur mit Landschaftsausblick (GG
822) besonders von den gotischen Kirchenbildern abhebt. An derselben Wand ist Rup-
rechts Kopie der Marter der 10.000 Christen spiegelbildlich zum Original von Albrecht Dü-
rer eingepasst. Ähnlich könnte diese Anordnung bereits 1816 ausgesehen haben.110 An
der zweiten Wand (Abb. 8) markieren die Kirchenväter Hl. Augustinus und Hl. Ambrosius
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Untertitel
- Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837)
- Band
- 1
- Autor
- Gudrun Swoboda
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 312
- Kategorie
- Kunst und Kultur