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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Seite - 324 -
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324 Wolf Museumskulturen sern (z.B. in England) verstreut; von den beweglichen Werken Raffaels befänden sich nur zwei in Rom, wo sie eigentlich hingehörten. Quatremère propagiert die Einrichtung eines Raffaelmuseums in Rom. Er greift das Argument der Schulen auf und verweist auf die nur partielle Vollkommenheit jeder Schule. In ihrer Dekontextualisierung werden sie stumm, verlieren die Werke ihre Kraft. Der Eindruck von Werken, die man verfertigt werden sehe, sei stärker als jener der schon ausgeführten. In den Meisterwerken sei der Geist der Kunst verborgen. Nur im Vergleichungs- und Beobachtungspunkt sind die Werke noch Meister: Man kann nicht transportieren, was Schulen zu Schulen macht; sie verlören die physischen und moralischen Gründe, das Lokalkolorit. Quatremère beruft sich auf die Rückerstattung der Statuen Siziliens aus Karthago durch Scipio.23 Durch die Bereicherung der Gemälde- sammlungen komme es zu einer Neutralisierung aller Geschmacksformen. Rom bleibe Europas Zentralschule, Roms universeller Charakter habe schon Montaigne ergriffen, der Stadt natürliche Wesensart bestehe aus den hier zusammenkommenden Ausländern, jeder fühle sich da zuhause. Kunstwerke sind nicht Reliquien, aus denen das Ganze erkennbar wird, sondern Fragmente. Sie sind tot, wenn sie dekontextualisiert sind. Dabei hatte Paris vieles getan, um die transferierten Werke zu zelebrieren, und durch- aus nicht begonnen, eine kalte Abfolge von Schulen zu installieren, die die Aura der Werke bedrohen könnte. 1796 nach Waffenstillständen mit Parma, Mailand und dem zum Kirchenstaat gehörenden Bologna begann der Transport von Kunstwerken nach Paris. Quatremères gleichzeitig erschienene Briefe waren insofern fast schon von den Entschei- dungen und Ereignissen überholt. 1798 sollte die Kunstbeute aus Italien in Paris einziehen. Quatremère propagierte gegen die Heimkehr-Ideologie der französischen Republik Europa als einen Inbegriff von Kunst, Literatur und Wissenschaft, als eine Bildungs- und Wissens- gemeinschaft, verpflichtet dem Geist der Aufklärung, mit der Antike als Leitstern. Der Weg führe von der Nachahmung zur Forschung. Rom sieht Quatremère als Museum und formuliert damit einen Gegenentwurf zum staatlichen Museum als großem Speicher von Modellen; er insistiert auf der Geschichtlichkeit der Kunstmonumente. Kunstgeschichte als Erforschung von Kunstwerken in ihrem historischen Kontext steht für ihn gegen das Museum. Im Gegenzug betont er die Notwendigkeit von Abguss und Kopie. Rom selbst ist ihm die Schule, denn es erlaube, die visuelle Fähigkeit zu entwickeln. Wie angespro- chen, ist in seinen Augen ein aus dem Kontext herausgelöstes Kunstwerk keine Reliquie einer Kunstreligion, nicht Träger eines Ganzen, sondern eben totes Fragment. Werde der Apoll vom Belvedere nicht in Paris einfach ein Möbelstück sein, wie der französische Staats- mann und Berater Napoleons Pierre-Louis Roederer am 28. Februar 1797 im Journal d‘Économie publique schreibt?24 Von Heimkehr könne man unmöglich sprechen angesichts des muselmanischen Vandalismus der jakobinischen Bilderstürme. Überliefert ist eine Petition von Künstlern, wiederum aus den Augusttagen des Jahres 1796, eine Kommission zu bilden, um die Frage des Abtransports der Kunstwerke aus Italien zu überdenken. Die wichtigste Stimme der Gegenpartei ist die von Alexandre Lenoir (dem Begründer des Musée des Monuments français). In einer Petition vom Oktober desselben Jahres wird von dieser regierungstreuen Seite gefordert, auch den Obelisken von Sankt Peter, die Traian- und die Marc-Aurel-Säule, das Reiterbild vom Kapitol usf. zu überführen. Selbst vor dem Vorschlag, Fresken abzulösen, schreckt dieses Pamphlet nicht zurück. Am 9. Thermidor 1798 schließlich findet der große Einzug der italienischen Beute statt;25 man denkt sich den Transfer von Athen nach Rom nun vollendet durch einen solchen von Rom nach Paris. Bekanntlich sind auch die Pferde von San Marco dabei: Sie befänden sich endlich auf freiem Boden, so ein Spruchband, das sie tragen. Frankreich wird als universell zugebillig- tes Depot der für die Zukunft geschaffenen Meisterwerke verstanden und das Museum als Erfüllung der Geschichte. Diese Polemiken implizieren auch eine Kritik am elitären Konzept der Republik der Gebildeten, das Quatremère vertritt.
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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Untertitel
Europäische Museumskultur um 1800
Band
2
Autor
Gudrun Swoboda
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79534-6
Abmessungen
24.0 x 28.0 cm
Seiten
264
Kategorie
Kunst und Kultur
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