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Wolf Museumskulturen
Auf die Rezeption der Statuengalerie und des musealisierten Louvre durch Besucher
gerade aus den Ländern, aus denen die Werke stammten, kann hier nur en passant einge-
gangen werden. Der Transport von Kunstwerken aus den eroberten Gebieten endete, wie
angedeutet, nicht mit dem großen Einzug von 1798, sondern setzte mit Dominique-
Vivant Denon (ab 1802) erst richtig ein. Besonders mit den großen Ausstellungen der
nach Paris gebrachten Werke 1807/08 als Zusammenschau der ungeheuren Zahl von
Kunstwerken aus ganz Europa findet sich ein internationales Publikum ein. Die Reaktionen
sind durchaus enthusiastisch bis ambivalent: Der junge Schopenhauer preist die Galerie
der Antiken, weil sie die Steine zum Leben erwecke; wenn man sich an das Licht gewöhnt
habe, schienen alle antiken Götter hier lebendig, wie sie es vor Jahrhunderten gewesen
seien.39 Schinkel beschreibt die Galerie aus Künstlersicht als öffentlichen Ort und Prome-
nade, was zwar das praktische Studium (für das Antikensammlungen ja dienten) aus
den Sälen verbanne, zugleich aber zur Betrachtung der Meisterwerke aus allen Zeitaltern
einlade; in dieser finde man ein ebenso nützliches Studium des Geistes wie sich großer
Genuss aus ihr ziehen lasse.40 Eine patriotische Kritik stellt Schillers bekanntes Gedicht
Die Antiken zu Paris von 1803 dar; allerdings hat sie der Dichter dort nicht gesehen, er
bemüht den Topos der Lebendigkeit der Steine in umgekehrter Stoßrichtung:
„Was der Griechen Kunst erschaffen,
Mag der Franke mit den Waffen
Führen nach der Seine Strand,
Und in prangenden Museen
Zeig er seine Siegstrophäen
Dem erstaunten Vaterland!
Ewig werden sie ihm schweigen,
Nie von den Gestellen steigen
In des Lebens frischen Reihn.
Der allein besitzt die Musen,
Der sie trägt im warmen Busen,
Dem Vandalen sind sie Stein.“
Mit der Eröffnung des Louvre bzw. des Musée Napoléon wurde Paris so in anderer
Weise zu einem Brennpunkt europäischer Kultur als es Rom in den Augen Quatremères de
Quincy war. In Rom selbst stellte derweilen Papst Pius VII. Canovas Perseus 1802 auf den
leeren Sockel des Apoll im Belvedere-Hof.41 Stendhal sagte über Winckelmann, das sei
deutscher Schwulst schlimmster Art, und pries Canovas Perseus als das Apoll überlegene
Werk, welches ohnedies von dem Vergleich mit den Skulpturen des Parthenon Schaden
nehme (auf die wir zurückkommen).42 Stendhal brachte einige Jahre in Rom zu, und
Canova arbeitete u.a. im Auftrag Napoleons. 1815 leitete Canova dann im päpstlichen
Auftrag die Rückführung des Apoll vom Belvedere, des Laokoon, des Torso und der anderen
Werke. Man sieht Apoll zwar nicht an, dass er in Paris war, aber er kam gleichwohl als ein
gewandelter zurück.
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Untertitel
- Europäische Museumskultur um 1800
- Band
- 2
- Autor
- Gudrun Swoboda
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 264
- Kategorie
- Kunst und Kultur