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329 Wolf Museumskulturen
5. ORDNUNGEN DER BILDER: VON DER GRANDE GALERIE ZUM
PROJEKT DES ALTEN MUSEUMS IN BERLIN
Bleiben wir im Louvre und fragen abschließend nach dem Konzept für die Ordnung
und Inszenierung der Gemälde in der Grande Galerie. Hier lässt sich ein von Pommier u. a.
untersuchter Wandel von der eher traditionellen Hängung der Bilder nach ästhetischen
Kriterien, die also hinter Mechels Wiener Konzept zurückbleibt, gegen Ende des Jahrhun-
derts zu der neuen Denons konstatieren.43 Erst mit ihm wird der Louvre zu einem Modell
für die Zukunft, einem großangelegten Narrativ der europäischen Kunstgeschichte nach
Schulen, das zugleich über Mechels Ansatz hinausgeht. Wie Gaehtgens herausgearbeitet
hat, billigt die Abfolge von Werken den europäischen Ländern eine künstlerische Tradition
und dieser jeweils eine Geschichte zu.44 Denon hat dies 1803 programmatisch mit der
Hängung der 25 in Paris versammelten Werke Raffaels in einem Abschnitt der architek-
tonisch neugefassten Grande Galerie begonnen. Es scheint dies wie eine Antwort auf
Quatremères Postulat eines römischen Museums für Raffaels Werke, wenn Denon im
Musée Napoléon dessen Werk um die Transfiguration in einer vertikalen und horizontalen
Ordnung entfaltet, welche die Entwicklung des Urbinaten von seinen Anfängen als
Schüler Peruginos her zeigt und zum visuellen Vergleich mit diesem einlädt (zwei Madon-
nenbilder Peruginos hingen über zwei Bildern Raffaels).45 Zu bedenken wären auch, in
diesem Fall wie für die neuen Galerien überhaupt, die Restaurierungen und die neuen Rah-
mungen der Gemälde. Gaehtgens hat die Wirkung der neuen musealen Kunstgeschichte
anhand der Reaktion Friedrich Schlegels in dessen Berichten aus Paris deutlich gemacht,
das diesen von der Zelebration der „ästhetischen Ausstrahlung“ des Einzelwerkes zu einer
kunsthistorischen Betrachtung führte.46
Ein Blick nach Berlin bringt uns nochmals zurück zum Heros der frühen Sortierung von
Gemäldegalerien, von Düsseldorf wie von Wien, zu Christian von Mechel. Die Epoche
dieses Stechers und Verlegers, der zugleich im Kunsthandel tätig war (dessen Rolle für die
Formierung der musealen Kunstgeschichte ein spannendes Thema wäre), endet mit dem
Versuch, seine Erfahrungen in den Dienst eines neu zu schaffenden Museums in Preußen
zu stellen, das die königliche Antiken- und Gemäldesammlung unter ein Dach bringen
sollte. Er kommt 1805 nach Berlin; wegen der napoleonischen Konfiskation der Kunst-
werke ist dies allerdings kein günstiger Zeitpunkt, dieses Projekt voranzutreiben, für das
Alois Hirt schon 1798 in einer Schrift geworben hatte. Hirt hatte dabei Mechels Konzept
einer sichtbaren Geschichte der Kunst gelobt, die in Wahrheit einem taxonomischen
Modell verpflichtet bleibt. In seinen ersten Berliner Jahren, in denen dieses Projekt nicht
vorangetrieben wurde, wendet sich Mechel wiederum seiner Publikationstätigkeit zu, u. a.
mit einem Werk über die Höhendifferenzen der Berge auf Mond, Venus, Merkur und der
Erde. In dem 1810 erhaltenen Auftrag, die Gemäldegalerie neu zu ordnen, reüssiert er
nicht; Wilhelm von Humboldt unterstellt ihn einer von ihm selbst geleiteten Behörde und
verhindert so, dass Mechel seine Pläne realisieren kann.47 Das Alte Museum wird dann
bekanntlich von Schinkel ab 1822 errichtet und erst im Jahr 1830 eröffnet. Es folgt nicht
mehr der akademischen Engführung der Kunstschulen im Sinne Mechels, sondern will
zugleich Klassifikationen auf ein großes kunstgeschichtliches Narrativ hin überschreiten,
das mit jenem einer gleichsam parallelen und naturhaften Entfaltung von Schulen (deren
Unterschiede, wie wir auch bei Quatremère finden, partiell auf Differenzen von Klima und
Natur zurückführbar sind) nicht vereinbar ist.48 Für Schinkel steht die Kunst zwischen dem
Menschen und dem Göttlichen und schafft den Ausgleich der Gegensätze im Leben; sie
hat eine religiöse Funktion. Die Rotunde gibt diesen Auftakt und bleibt Referenzpunkt.
Die Ordnung der Gemäldegalerie will zugleich zeigen, wie die italienische Malerei im
Akademismus endet, während die deutsche an Charakter gewinnt und zu Rubens und
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Untertitel
- Europäische Museumskultur um 1800
- Band
- 2
- Autor
- Gudrun Swoboda
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 264
- Kategorie
- Kunst und Kultur