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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Seite - 337 -
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Robert Felfe Dynamiken von Sammlungs- kultur im 17. Jahrhundert INSTABILE ENSEMBLES, FÜRSTLICHES MÄZENATENTUM UND DIE AMBITIONEN DER EXPERTEN Ein erfahrener Reisender des Jahres 1669 wunderte sich in seinen Berichten über die un- vermittelte Plötzlichkeit, mit der er sich auf einmal in Wien befunden habe. Es sei ihm vor- gekommen, so heißt es später aus seiner Feder, als habe er seine Reise mit Hilfe der Magie beschleunigt – und doch sei es allein die Donau, auf der man fast so schnell reisen könne, wie in der Vorstellung.1 In Wien wird er neben anderen Sammlungen vor allem die des Kai- serhauses besuchen, Menagerien und Parkanlagen besichtigen sowie an einer Jagd teil- nehmen. Er wird mit dem Anspruch von Kennerschaft über Kunstwerke urteilen und im Laufe der kommenden drei Jahre etliche der bedeutendsten Kunstkammern und Bibliothe- ken von Dresden und Prag über München, Basel, Nürnberg, Berlin, Amsterdam und Lon- don besuchen. In Ambras wird er sich angesichts des Bildes von einem Riesen und einem Zwerg2 daran erinnern, dass man auch am Wiener Hof noch immer diese „Spiele der Na- tur“ sehr schätze. Der Erzähler räumt ein, dass er diese Wesen nie ohne eine gewisse Furcht habe sehen können. Als Grund dafür klingt an, dass die Natur in diesen Kreaturen Extreme hinsichtlich der Proportionen des Menschen hervorbringe und mit diesen Extre- men werde die vermeintliche Unverrückbarkeit der besonderen Wesensbestimmung des Menschen in Frage gestellt.3 Der erwähnte Reisende war der Arzt und Numismatiker Charles Patin.4 (Abb. 2) Er ge- hört zum Kreis jener Experten, die im unmittelbaren Umfeld fürstlicher Sammlungen agierten – wenngleich seine Karriere eher untypisch verlief. Auf den schnellen beruflichen und gesellschaftlichen Aufstieg im Paris der 1650er und 60er Jahre folgte eine Erschütte- rung, wie sie heftiger und bedrohlicher kaum hätte sein können. Nur knapp entging Patin im November 1667 der Verhaftung und floh ins Ausland. Einige Monate später wurde er in Abwesenheit zu lebenslanger Galeerenhaft verurteilt, und vor Notre Dame wurde sein Schandbild verbrannt.5 Hintergründe und Hergang dieses Falls sind bis heute nicht restlos geklärt. Fakt ist, dass Charles Patin zusammen mit seinem Vater einen schwunghaften Schwarzhandel mit teils verbotenen Büchern führte.6 Den zuständigen Obrigkeiten war dies jedoch seit längerem bekannt gewesen – und so stellt sich die Frage, warum diese Ak- tivitäten erst zu einem bestimmten Zeitpunkt so vehement als Angriffsfläche gegen ihn genutzt wurden. Bereits unter Zeitgenossen kursierten hierzu verschiedene Vermutungen.7 Man ging davon aus, dass Patin als intimer Kenner des klandestinen Buchmarktes vom Pariser Hof selbst beauf- tragt worden sei, in den Niederlanden, von wo er für gewöhnlich den Großteil seiner Ware nach Frankreich schmuggelte, die komplette Auflage eines missliebigen Buches aufzukaufen und restlos zu vernichten. Wahrscheinlich handelte es sich um die Amours du Palais Royal, eine satirische Schrift über das erotische Leben am Pariser Hof, die insbesondere für die Maitresse von Louis XIV., Madame de Montespan, als schmachvolle Beleidigung empfunden wurde.8 337 Abb. 1 Tiziano Vecellio, gen. Tizian, Jacopo Strada, um 1567/68. Wien, KHM, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 81
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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Untertitel
Europäische Museumskultur um 1800
Band
2
Autor
Gudrun Swoboda
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79534-6
Abmessungen
24.0 x 28.0 cm
Seiten
264
Kategorie
Kunst und Kultur
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