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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Seite - 338 -
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338 Felfe Dynamiken von Sammlungskultur Zweierlei wurde nun weiterhin vermutet: Es könnte sein, dass Patin gemäß dem Auftrag die Auflage erworben hat, dass dann aber ein anderer Fürst mit einem Angebot an ihn her- angetreten sei und er schließlich diesem die Auflage komplett überlassen habe. Eine ande- re Version entwirft ein noch verwegeneres Szenarium: Danach hätte Patin, einmal im Be- sitz der delikaten Ware, deren Vernichtung nur fingiert und stattdessen selbst angefangen, die Bücher über erprobte Kanäle zu vertreiben, und zu diesem Zweck einen Teil auch nach Frankreich eingeführt. Beide Varianten laufen darauf hinaus, dass Charles Patin als Agent auf dem internationalen Buchmarkt mit hohem Risiko auf eigene Rechnung spielte und dabei aufgeflogen ist. Es gibt jedoch eine weitere Variante, die erst von Historikern als Möglichkeit angedeu- tet wurde. Patin hatte sich in den 1660er Jahren einen gewissen Namen in der internatio- nalen Szene der Münz- und Medaillensammler erworben. Dies beruhte zum einen auf Ab- handlungen, die er hierzu publiziert hatte, zum anderen aber auf seiner eigenen Samm- lung, die als besonders auserlesen galt. Um die Mitte der 60er Jahre hatte nun der ehrgeizige Premierminister Colbert damit begonnen, sowohl seine eigene Bibliothek und Münzsammlung als auch die des Königs neu zu ordnen und auszubauen. Genau in dieser Zeit lancierte er heftige Anfeindungen gegen die numismatischen Publikationen Patins.9 Es gilt zudem als sicher, dass Colbert hinter der energischen Strafverfolgung und dem Pro- zess steckte – und es steht fest, dass er sehr bald die zurückgebliebene Sammlung des Flüchtigen günstig erwarb. Für Charles Patin waren der Verlust seiner Sammlung, Flucht und Verurteilung der Aus- löser jahrelanger Reisen durch Europa. Sie waren der Beginn eines langen Exils und sie ga- ben den Anlass zu seinen Reisebeschreibungen. In verschiedenen Versionen und Überset- zungen erschienen sie zwischen 1670 und 1697 in mindestens sieben Ausgaben.10 Dank der Kenntnisfülle, aber auch der leichtfüßigen Erzählfreude des Autors sind sie eine eben- so reiche wie unverwechselbare Quelle zur Kunst- und Sammlungsgeschichte des 17. Jahr- hunderts.11 In Charles Patin als Person und Autor konvergieren der fragile Status frühneuzeitlicher Sammlungen – egal ob die einer Privatperson oder die eines Fürsten – mit einem mögli- cherweise neuen Zug im Profil der Kunstexperten und Agenten. Entlang einigen zunächst schmalen Spuren lässt sich die Frage verfolgen, inwiefern diese erweiterten Konturen wiederum neue Formen von Öffentlichkeit herstellten. Dabei scheint es, als wären – weit früher als dies gemeinhin angenommen wird – auch Textquellen literarischer Art mitsamt ihren Stilisierungen und fiktionalen Anteilen zunehmend Orte einer Reflexion und Verstän- digung über kollektive und geschichtsstiftende Dimensionen des Sammelns gewesen. Instabile Ensembles Die Vorgeschichte des Kunsthistorischen Museums in Wien liefert überaus plastische Ein- blicke in die relative Unbeständigkeit von Sammlungen vor jener institutionellen Festigung der Museen, wie sie seit dem 18. Jahrhundert als allgemeine Tendenz zu beobachten ist.12 So ist zum einen vielfach gezeigt worden, dass die Kunstkammern mit ihren heterogenen Beständen in hohem Maße an die jeweilige Person gebunden waren. Mit dem Tod sam- melnder Fürsten endete häufig auch der Zusammenhalt ihrer Sammlungen. Erbvorgänge brachten oft Teilungen und Veräußerungen mit sich; zudem wurden Sammlungen regulär etwa als Reservoir für Geschenke genutzt. Dies war Teil des diplomatischen Umgangs, der dynastischen Politik, sowie eine gängige Form, sich der Loyalität bedeutender Personen und Beamter zu versichern. Zu dieser funktionalen Beweglichkeit kamen verschiedene Gefährdungen nicht nur ganzer Sammlungsensembles, sondern auch der einzelnen Exponate. Brände und Plün- derungen in Kriegsfällen – dies braucht kaum betont zu werden – waren dabei besonders
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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Untertitel
Europäische Museumskultur um 1800
Band
2
Autor
Gudrun Swoboda
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79534-6
Abmessungen
24.0 x 28.0 cm
Seiten
264
Kategorie
Kunst und Kultur
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