Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kunst und Kultur
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Seite - 347 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 347 - in Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Europäische Museumskultur um 1800, Band 2

Bild der Seite - 347 -

Bild der Seite - 347 - in Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Europäische Museumskultur um 1800, Band 2

Text der Seite - 347 -

347 Felfe Dynamiken von Sammlungskultur „Il y a dans le premier quinze cent tableaux des meilleurs maistre du mon- de: J’en ay remarqué de Raphael, de Titien, de Carache, de Paul Veroneze, de Correge, de Palme, d’Holbein, de Georgon, de Schiavon, de Bassan, d’Albert Durer, de Rubens, de Van-Deick: on a gravé ce qu’il y a de plus fin dans cette abondance inestimable, le projet estoit bien pris, mais Ternieres qui est l’autheur, auroit la gloire toute entiere, s’il avoit eu le soin de le faire mieux executer: Ce sont des copies qui travestissent les originaux, & qui de- figurent ce qu’il ya de plus beau au monde: on n’y voit que des fauts de l’ouvrier, & rien de l’excellence de ces grandes ideés.“39 Angesichts dieser pauschalen Ablehnung lassen sich kaum so etwas wie konkrete Argumen- te eines differenzierten Urteils ausmachen. Dass die Drucke in keiner Weise der jeweils spezi- fischen Umsetzung der Bildkonzepte gerecht würden, ist jedoch in vielen Fällen nachvoll- ziehbar. In der Tat scheint bereits die zwischengeschaltete Ebene von Teniers’ pasticci viel- fach eine gewisse Nivellierung ästhetischer Besonderheiten der Originale mit sich gebracht zu haben. Hinzu kommen auffällige Niveauunterschiede in der Ausführung der Graphiken selbst. Somit gibt es tatsächlich Differenzen zwischen Gemälden und Drucken, die der erfah- rene Sammlungsbesucher mit seinen gezielten Interessen und einer spezifischen Sensibilität für Malerei für unakzeptabel hielt. Hinterfangen wird das Monieren dieser Schwächen je- doch von einem anderen, eher strategischen Moment. Ohne eine unmittelbar personelle Konkurrenz zwischen Patin und Teniers zu unterstellen, erkennen wir in der literarischen Konfrontation ein heftiges Ringen um Vermittlungskompetenzen und Deutungshoheit in Sa- chen Kunst. Beide Protagonisten sind hier – wenngleich mit unterschiedlichem Erfolg – sehr ambitioniert. Im Schatten der Inszenierung von fürstlichem Mäzenatentum und Herrscher- lob etablieren sich Kunstexperten, Agenten und Sammlungsspezialisten, gestützt auf ihr Ur- teilsvermögen und teils in polemischem Meinungsstreit, als überregionale Instanzen. Eine zunehmend wichtiger werdende Ebene, auf der dies geschieht, sind gedruckte Publikatio- nen. Neben dem Kunstbuch gehören hierzu auch Formen einer literarischen Kunstkritik, die sich in Patins Relations noch nicht zum systematisch geführten Diskurs verdichten, sehr wohl aber eine tragende Schicht im Gefüge dieser vielfältig gedankenreichen Narration bilden. Exponate als Botschafter fürstlicher Gunst Es gehört nicht nur zu den weltläufigen Attitüden unseres Reisenden, sondern zu seinem kognitiven Stil, dass er sich mit den schlichtweg misslungenen Reproduktionen der Ge- mälde nicht lange aufhält. Er schlendert weiter durch die Stallburg und wird nun durch die Kunstkammer des Erzherzogs geführt, die in unmittelbarer Nachbarschaft eingerichtet worden war. Von hier berichtet er unter anderem über das Grab des Childerich und die goldenen Bienen, die man dort gefunden habe;40 er erwähnt eine außerordentlich reiche Münz- und Medaillensammlung41 sowie etliche Reliquien.42 An Gold, Elfenbein und kost- baren Steinen biete sich eine Fülle, die – und auch dies ist für den Habitus des Autors cha- rakteristisch – selbst jene blende, die den Anblick derartiger Kostbarkeiten gewohnt sind.� Dann stößt er auf ein Exponat, an dem er genau jenes kategorieübergreifende Changieren zwischen natura und artes bewundert, das in den Kunstkammern ein konzeptuelles Schar- nier von zentraler Bedeutung bildete. Facetten dieser Beziehung umfassten die Vorstellung von einem eigenen produktiven Vermögen der Natur, das bisweilen in spielerischer Frei- heit sehr ungewöhnliche Formen und Erscheinungen hervorbrachte und zu dem sich die Künste der Menschen in einem Analogieverhältnis sehen konnten;44 hinzu kamen Varian- ten der so genannten Signaturenlehre, einer umfassenden Hermeneutik, der zufolge sich in den Phänomenen der Natur – für den, der sie zu entziffern versteht – verborgenes Wis- sen, künftiges Geschehen und göttlicher Wille offenbare.45 Abb. 10 David Teniers d.J. nach Veronese, Erweckung des Jünglings zu Nain, um 1651/56. Wien, KHM, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 9711 Abb. 11 Jan van Troyen nach Veronese, Erweckung des Jünglings zu Nain, in: D. Teniers d.J., Theatrum pictorium, Brüssel 1660
zurück zum  Buch Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Europäische Museumskultur um 1800, Band 2"
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Untertitel
Europäische Museumskultur um 1800
Band
2
Autor
Gudrun Swoboda
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79534-6
Abmessungen
24.0 x 28.0 cm
Seiten
264
Kategorie
Kunst und Kultur
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums