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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Seite - 349 -
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349 Felfe Dynamiken von Sammlungskultur daran, dass diese Inschrift nicht von Menschenhand gemacht war. Patin beschreibt sie als: „geboren in der Substanz des Steins“. Dass der Numismatiker ein „B“ vor dem Namens- zug, analog zu griechischen Münzen, als Abkürzung für „Basileios“ deutet, fügt sich dabei bestens in die nichtmenschliche Herkunft. Gerade der vermeintliche Artefakt-Status, den man doch der Natur zuschreiben müsse, macht den besonderen Wert solcher Erscheinun- gen aus. Man wisse angesichts solcher Dinge nicht, schließt Patin, was man am meisten bewundern solle: die Materie selbst, die Form, die Großzügigkeit oder das Gestaltungsver- mögen der Natur.48 Gesteine mit bildhaften Figuren oder vermeintlichen Schriftzügen sind als beliebte Kunstkammerstücke so vielfältig überliefert, dass dieses Exemplar an sich nicht unbedingt von besonderem Interesse wäre. Speziell dieser Inschriftenstein sollte jedoch ein Jahr nach Patins Besuch seinen Auftritt als ‚Botschafter‘ kaiserlichen Wohlwollens auf einem gerade erst entstehenden Terrain gelehrter Öffentlichkeit erhalten. Die steinerne Schale wurde 1670 in der ersten Ausgabe gesammelter Beobachtungen der noch jungen Academia Naturae Curiosorum in Bild und Text publiziert. (Abb. 12) Als Observatio CXII unter dem Titel De Nomine Christi Achati naturaliter inscripto wurde sie dabei, ganz im Sinne der Beschreibung von Patin, als nicht von Menschenhand hervor- gebrachte und gerade deshalb so bedeutungsvolle Manifestation von Gottes Plan in der Natur gedeutet.49 Seit ihrer Gründung 1652 hatten sich die Akademiker um die kaiserliche Privilegierung bemüht. Das Erscheinen der nun ins Leben gerufenen Publikationsreihe bot einen willkommenen Anlass für eine erneute Offensive in dieser Sache. Im Zuge der Vorbereitungen zum Druck der ersten Ausgabe der Miscellanea hatte man zusammen mit einem Probeexemplar auch das gemalte Bild einer Rübe an den Wiener Hof gesandt, die die Gestalt einer Frau wiedergebe. Dieses Bild soll beim Kaiser selbst ein so starkes Interesse geweckt haben, dass er mit größtem Wohlwollen dem Erscheinen der Publikation entgegensah.50 Die anthropomorphe Rübe, die dieses außerordentliche Inter- esse offenbar provoziert hat, wurde daraufhin ihrerseits in der ersten Ausgabe des neuen Periodikums als eindringliches Exempel für jene formbildend darstellerischen Potenzen der Natur gewürdigt, die sich auch in der Inschrift der Achatschale manifestiert hätten – wie- wohl im Falle seltsamen Gemüses die Bildspiele der Natur keine sakrale Sinndimension hervorgebracht hatten.51 (Abb. 14) Nun war nicht nur eine Widmung an „Ihre Majestät“ höchst willkommen, man ent- schied sich vielmehr von Seiten des Hofes, am Beginn dieser neuen Schriftenreihe einer naturkundlichen Gelehrtengesellschaft sichtbar beteiligt zu sein. Aus den kaiserlichen Sammlungen wurden daraufhin fünf Exponate ausgewählt, von denen in Wien Stiche an- gefertigt wurden, und die Objekte wurden von einem der Hofärzte eingehend kommen- tiert. Texte und Bilder ließ man den Herausgebern der Miscellanea zukommen, und die Sammlungsstücke aus Wien wurden in den ersten Band integriert. Eine eigene Überschrift betonte ihre Herkunft und die hohe Gunstbezeigung, die in deren Mitteilung an die Aka- demie zu sehen war.52 An erster Stelle dieser Kuriosa wurde eine Wurzel in der Form eines Kruzifixes abge- druckt.53 (Abb. 15) Mit diesem Stück wurde ein ähnliches Naturphänomen aufgegriffen wie in jenem Bild, das die Akademiker zuvor dem Kaiser geschickt hatten. Auch hier hat ein Ge- wächs aus dem Naturreich der vegetabilia die Figur eines menschlichen Körpers hervorge- bracht. Allerdings wird mit dem Exponat aus der Kaiserlichen Sammlung die Semantik der- artiger Phänomene in signifikanter Weise verschoben. Hier nämlich hat die Natur nicht ir- gendeinen menschlichen Körper nachgebildet, sondern das Bild des gemarterten Erlösers. Dieser heilsgeschichtliche Horizont wird im Folgenden weitergeführt und sukzessive in eine explizit dynastische Perspektive überführt. An zweiter Stelle der Abfolge wölbt sich die erwähnte Achatschale im Kupferstich zu einer Sphäre, die nun mit ihrer Inschrift weni- Abb. 14 Rapa Monstrosa Anthropomorpha, in: Miscellanea, Bd. 1, 1670, S. 139f.
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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Untertitel
Europäische Museumskultur um 1800
Band
2
Autor
Gudrun Swoboda
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79534-6
Abmessungen
24.0 x 28.0 cm
Seiten
264
Kategorie
Kunst und Kultur
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