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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Seite - 352 -
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352 Felfe Dynamiken von Sammlungskultur In den Relations verbindet Patin in diesem Zusammenhang überaus geschickt ein eupho- risches Lob des Kaisers mit einigen anerkennenden Worten über den Bibliothekar und Ku- rator der Münzsammlung, Peter Lambeck, um dessen Nachfolge er sich später bemühen wird. Letzterer sei überaus fähig und unermüdlich damit beschäftigt, die ihm anvertrauten Kostbarkeiten zeichnerisch zu kopieren. Der Autor habe zudem Gelegenheit gehabt dabei zu sein, wie seine Majestät selbst seine Sammlung antiker Medaillen besichtigte. Mit eini- gem Pathos beschwört er das unvergleichliche Erlebnis zu sehen, wie ein Römischer Kaiser auf diese Weise dreieinhalb Stunden lang eine Unterhaltung mit seinen Vorgängern führ- te. Dem erhabenen Geist eröffne sich dabei eine Erfahrung geschichtlicher Transzendenz, in der die herkömmliche Unterscheidung zwischen Lebenden und Toten sich verwische und alles Wissen über Geschichte eine anschauliche Präsenz gewinne.65 Diese spezifische Qualität antiquarischer Kontemplation wird sodann überführt in allgemeine Topoi der Huldigung, die vor allem darauf hinauslaufen, dass in diesem wirklich großen Kaiser und Politiker die Stärke und die sonstigen Tugenden eines Feldherrn durch Anmut, Feinsinnig- keit und Milde, als eine „zweite Seele“, veredelt würden. Als Patin auf seiner vierten Reise 1673 erneut durch Wien kommt, wird er insbesonde- re diesen Teil der kaiserlichen Sammlungen zum Anlass nehmen, sich in deren Würdigung selbst zu empfehlen. Aus der pauschalen Bewunderung der einmaligen Bestände an Bü- chern, Manuskripten und Medaillen werden dieses Mal zwei Namen hervorgehoben. Dies sind zum einen Jacopo Strada und dessen unvergleichliches Konvolut an Zeichnungen und zum anderen erneut Peter Lambeck und dessen kürzlich erschienene fünf Bände der Bibliotheca Caesarea.66 Die Publikation von Lambeck wird als ebenso vollständiger wie kurzweilig zu lesender Katalog der Kaiserlichen Bibliothek geradezu angepriesen. Mit we- nigen Zügen und eher beiläufig wird in dieser Passage eine Art berufliche Genealogie ent- worfen, in die sich der Autor der vorliegenden Zeilen, im Anschluss an den legendären Ja- copo Strada und den verdienstvollen Lambecius, selbst einschreibt. Auch diese Bemühungen um eine Karriere in Wien führten nicht zum Erfolg. Zeitge- nossen berichten, dass Patins Hoffnungen auf eine Nachfolge Lambecks vergeblich sein würden, da er am Hof keinen besonders guten Ruf genieße.67 Dennoch enthalten diese Passagen in den Relations noch einmal aufschlussreiche Momente in Hinblick auf jene tief gestaffelten Beziehungsgeflechte im unmittelbaren Umfeld frühneuzeitlicher Sammlun- gen. Die keineswegs immer planvollen, sondern häufig eruptiven Bewegungen der Expo- nate, die mitunter riskanten Manöver von Agenten und Experten, Strategien der Professi- onalisierung und das Wechselspiel der Gaben und Gesten pulsierten in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts keineswegs nur in geschlossenen Kreisen höfischer Kultur. Über ver- schiedene Gattungen von Publikationen und im Austausch mit Institutionen entfaltete die Sammlungspraxis einen deutlich weiteren Resonanzraum, der teilweise bereits die Formen moderner Öffentlichkeit annahm. Das Konzept der Kunstkammer mit ihrem universellen Horizont der komplementären Beziehung von natura und ars war dabei noch immer eine wichtige Klammer – auch wenn sich innerhalb dieses Horizonts Tendenzen einer zuneh- menden Ausdifferenzierung abzeichneten. Nach Maßgabe der im 18. Jahrhundert sich etablierenden Museen mögen die hier skizzierten Fragmente auf den ersten Blick das Bild einer vormodernen, antisystematischen Sammlungskultur untermauern. Ein seit knapp zwanzig Jahren anhaltendes Interesse an den Kunstkammern – nicht nur als historischem Phänomen sondern als Sammlungs- und Ausstellungsmodell – lässt indessen vermuten, dass hier ein ganz eigenes uneingelöstes Potential liegt. Auf Seiten des Sammlers oder auch des Besuchers wurde die enorme Vielfalt an Objek- ten und Reflexionen nicht zuletzt durch einen eigenen Modus ästhetischer Erfahrung zu- sammengehalten. Durchaus im Sinne zahlreicher Zeitgenossen bezeichnete Patin diesen Modus als Curiosité. In jüngeren Forschungen wurde vor allem gezeigt, inwiefern das eins-
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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Untertitel
Europäische Museumskultur um 1800
Band
2
Autor
Gudrun Swoboda
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79534-6
Abmessungen
24.0 x 28.0 cm
Seiten
264
Kategorie
Kunst und Kultur
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