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Grabner Vom „malenden“ zum
„wissenschaftlichen“ Galeriedirektor
übender Maler sein müsse, um den akademischen Zöglingen sowohl durch Rath
als manchmal praktischer Anleitung nützlich zu werden und solchergestalt zu
dem Hauptzwecke der Aufnahme der Kunst mitzuwirken. Eine Fähigkeit von ge-
ringerer Art, die dennoch mit dazu gehört, ist, daß er die Gemälde wohl zu er-
halten, zu reinigen und die schadhaften herzustellen wisse.“1
Der neue Galeriedirektor musste also ausübender Maler sein, Restaurierungen an Kunst-
werken vornehmen und angehende Künstler fachkundig unterstützen können. Außerdem
sollte er ein Auge für qualitätvolle Kunstwerke haben, Original von Kopie unterscheiden
können und über ein umfassendes Wissen in der Kunstentwicklung vom Altertum bis her-
auf verfügen. Überdies erwartete man ein gewisses Maß an Weltgewandtheit, sprachliche
Fähigkeiten in Hinsicht auf einen kunstwissenschaftlichen Diskurs, sowie die Kenntnis von
Fremdsprachen, um auch Besucher aus dem Ausland betreuen zu können.
Es besteht kein Zweifel, dass diese Stellenbeschreibung, die vom Sekretär der Akade-
mie der bildenden Künste, Josef von Sonnenfels, im Einvernehmen mit dem Präses dieser
Institution, Anton Freiherr von Doblhoff-Dier, ausformuliert worden war,2 nur eine Person
vor Augen hatte: Friedrich Heinrich Füger (1751–1818, Abb. 1).
Füger war seit seinem ersten Auftreten in Wien im Jahre 1775 allseits wie ein Star be-
handelt worden. Er eroberte, salopp ausgedrückt, die Herzen im Sturm, erhielt Förderun-
gen von oberster Stelle und wurde sogleich als Stipendiat nach Rom gesandt. Nebenbei
gesagt hat man damit grundlegend gegen die Vorgaben verstoßen, denn Romstipendien
waren eigentlich für Absolventen der kaiserlichen Akademie eingerichtet worden – Füger
aber hatte nie in Wien studiert, sondern in Ludwigsburg, Leipzig und Dresden und war, als
er nach Wien übersiedelte, bereits ein ausgebildeter Künstler.
Doch haben das Kaiserhaus und Staatskanzler Wenzel Anton Fürst von Kaunitz-Rietberg
als Protektor der Akademie gerade in diesem Fall außerordentlichen Weitblick bewiesen,
denn es dauerte nicht lange, und Füger war eine der bedeutendsten Künstlerpersönlichkei-
ten in der Monarchie. Europäischen Ruhm erntete er durch seine Funktion an der Akade-
mie, die er ab 1784 zunächst neben dem beständig kränkelnden Caspar Franz Sambach
(1715–1795) als Vizedirektor und ab 1795 als Direktor leitete. Seinen innovativen Ideen
war es zu verdanken, dass die Ausbildung zum Künstler in Wien auf internationale Anerken-
nung stieß und demzufolge von zahlreichen Kunstjüngern auch aus dem Ausland in An-
spruch genommen wurde. Neben den organisatorischen Leistungen war Füger ein gesuch-
ter Maler, der vor allem durch Porträts, aber auch durch Historienbilder, so etwa die Verbild-
lichung von Friedrich Gottlieb Klopstocks Messias, großes Ansehen genoss. Seinen Briefen
ist zu entnehmen, dass er von hoher Intelligenz und mit diplomatischem Geschick ausge-
stattet war, in dem sich Bestimmtheit des Willens und Liebenswürdigkeit die Waage hielten.
Diese Fähigkeiten erhoben Friedrich Heinrich Füger naturgemäß über die zahlreichen
anderen Bewerber um den Posten des Galeriedirektors. Einen gleichwertigen Mitstreiter in
künstlerischen Belangen hatte er im Porträt- und Historienmaler Johann Baptist Lampi d.Ä.
(1751–1830). Dieser stammte aus Südtirol und hatte nicht nur in Wien, sondern auch an
den verschiedenen Höfen in Polen und Russland gewirkt und verfügte demzufolge über
interessante Verbindungen. Von weiterem Interesse war Johann Tusch (1738–1817), ein
Maler, der bereits unter Josef Rosa d.Ä. als Erster Kustos gearbeitet hatte und durch seine
29-jährige Tätigkeit an der kaiserlichen Gemäldegalerie die Belange der Sammlung mit Si-
cherheit am besten kannte.3
Diese Künstler wurden auch am 10. April 1806 in den Dreiervorschlag aufgenommen.4
Bereits im Juni fiel dann die endgültige Entscheidung, der zufolge Friedrich Heinrich Füger
ab 1. Juli 1806 der kaiserlichen Gemäldegalerie als Direktor vorstehen und zugleich die
Geschäfte des Schlosshauptmannes versehen sollte.5
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Untertitel
- Europäische Museumskultur um 1800
- Band
- 2
- Autor
- Gudrun Swoboda
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 264
- Kategorie
- Kunst und Kultur