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361 Grabner Vom „malenden“ zum
„wissenschaftlichen“ Galeriedirektor
Die Direktionszeit von Friedrich Heinrich Füger 1806 bis 1818
Einem Schreiben Fügers vom 25. Juli 18066 ist zu entnehmen, dass er sich das Leben als
Leiter der Gemäldegalerie recht beschaulich und strukturiert vorgestellt hatte und in je-
dem Fall angenehmer als die Funktion des Direktors der Akademie der bildenden Künste,
die zum Großteil mit zeitraubenden Verwaltungsarbeiten ausgefüllt war. Dieser neue Pos-
ten komme seinem Selbstverständnis als Maler sehr entgegen, meinte er, weil er „am
Abend seines Lebens stand, kränklich war und hoffen konnte, in dem damals wenig be-
schwerlichen Amte eines Leiters der Belvederegalerie Muße zu künstlerischen Arbeiten zu
finden“.7
Wie die weiteren Erörterungen zeigen, kann Fügers Lebensabend keineswegs als „we-
nig beschwerlich“ bezeichnet werden, denn seine Direktionszeit war geprägt von den Na-
poleonischen Kriegen und der damit einhergehenden beständig drohenden Gefahr, die
Hauptwerke der Sammlung an Frankreich zu verlieren. Schon vor seiner Amtszeit waren
aus diesem Grunde drei Evakuierungen notwendig gewesen, 1797, 1800, und ebenso
1805, kurz bevor die französischen Truppen Wien besetzten. Die Schauräume im Oberen
Belvedere waren demzufolge weitgehend leer, als Füger seinen Dienst antrat. Damals la-
gerten die bedeutendsten Gemälde und Skulpturen in insgesamt 48 Kisten verpackt an ei-
nem sicheren Ort in Pressburg, von wo sie erst am 17. Juli 1806 zurückgestellt werden soll-
ten. Verblieben in den Räumen des Oberen Belvedere sind lediglich jene Objekte, die auf-
grund ihres Formates nicht bewegt oder aus dem Haus transportiert werden konnten, so
etwa „die in dem Rubensischen Saale und in denen beiden Nebenzimmern auf den Mau-
ern festgeschraubten großen Bildern [!] von Rubens“.8
Wir sind in der glücklichen Lage, über Fügers Amtszeit im Belvedere relativ gut unter-
richtet zu sein, denn der Direktor führte ab dem Tag, als er von seiner neuen Funktion er-
fahren hatte, also ab dem 23. Juni 1806, ein Tagebuch.9 In diesem „Journal-Protocoll“, wie
er diese Aufzeichnungen nannte, hielt er alle Angelegenheiten, die das Schloss und die
Sammlung, aber auch seine eigene Person betrafen, fest. Diese Notizen unterrichten uns
etwa darüber, dass nach der Rückführung der Gemäldekisten zunächst nur die Ostseite
der Bel Etage, also „die italienische Seite der Gallerie“10 und „im 2ten Stock die deutschen
und niederländischen Zimmer“11 instand gesetzt wurden. Mit dem damals bereits drin-
gend notwendigen Austausch der verfaulten Dippelbäume begann man auf der Westsei-
te12 und eröffnete damit ein langwieriges Bauvorhaben, das sukzessive das gesamte Ge-
bäude erfassen und in der Folge zur Erneuerung des gesamten Dachstuhls führen sollte.
Den Erörterungen von Eduard von Engerth, einem der Nachfolger Fügers im 19. Jahrhun-
dert, ist zu entnehmen, dass bei diesen Besorgungen „die Stuckarbeit und das al fresco-
Bild an der Decke des Rubens-Saales zu Grunde“13 gingen.
Doch auch der damals zugängliche Teil der Schausammlung war in ständiger Bewe-
gung. So berichtete Füger im August 1807 von Neuerwerbungen einiger Werke von Guer-
cino, Van Dyck, Rigaud, sowie von einer „Landschaft mit Wasserfall“ von Ignace Duvivier
und der Ansicht vom „Golf von Bajae bei Sonnenuntergang“ von Lorenz Anton Schönber-
ger, die sogleich in der Galerie aufgestellt wurden.14 Über diese wie über die vielen weite-
ren Neuerwerbungen führte Füger ein Verzeichnis, in dem, wie er selbst notierte, neben
dem Ankaufspreis auch die Herkunft der Kunstwerke festgehalten wurde.15
Als dann das Obere Belvedere zu Beginn des Jahres 1809 endlich wiederhergestellt war
und eine Öffnung des Museums für das Publikum vorbereitet wurde, kam es am 6. April
zur Kriegserklärung Österreichs an Frankreich und in unmittelbarer Folge zu einer neuerli-
chen Evakuierung.
Dem Bericht Fügers an das Oberstkämmereramt vom 22. November 180916 zufolge
versuchte er damals, zuerst die bedeutenden Werke der italienischen und niederländi-
schen Schulen aus dem ersten Stock zu retten und sodann die besonders wertvollen Stü- Abb. 2
Leopold Kiesling (1770–1827), Mars und
Venus mit Amor, Carrara-Marmor,
H: 222 cm. Wien, Belvedere, Inv.-Nr. 2555
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Untertitel
- Europäische Museumskultur um 1800
- Band
- 2
- Autor
- Gudrun Swoboda
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 264
- Kategorie
- Kunst und Kultur