Seite - 375 - in Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Bild der Seite - 375 -
Text der Seite - 375 -
375 Grabner Vom „malenden“ zum
„wissenschaftlichen“ Galeriedirektor
von Rebell, die Gemälde besser zu beschriften. So sollten anstatt der „Nummerirten be-
reits auf den Gemälden sich vorfindenden Täfelchen [auch] der Nahme und die Jahreszeit
wann der Meister gelebt aufgezeichnet seyn“.79
Rebells pflichtbewusste, aber auch unbefangene Herangehensweise an die zahlreichen
Probleme, die sich ihm als neuem Galeriedirektor stellten, führte in den eigenen Reihen
unweigerlich zu Widerspruch. Einer der Kritiker war der Erste Kustos Karl Ruß, der sich zu-
dem auch durch die Bestellung Rebells übergangen fühlte. Ruß kannte die Belange des
Hauses wie kein anderer, denn er war schon in Fügers Restaurierungsteam tätig gewesen,
bevor er 1817 zum Zweiten Kustos ernannt wurde. Außerdem hatte er die Galerie nach
dem Tod von Josef Rosa zwei Jahre hindurch interimistisch geleitet. Nach bestem Wissen
und Gewissen hatte er versucht, die Kunstwerke wieder herzurichten. Ruß war es auch,
der das bereits genannte Inventar erstellt hatte. Wie sehr er nach diesem Posten gedrängt
hatte, belegt auch sein Bewerbungsschreiben vom 25. März 1821.80 Es ist verständlich,
dass Ruß enttäuscht war und dass es ihm schwerfiel, sich dem neuen Direktor, der das
Haus nicht kannte und zudem jünger war als er, unterzuordnen. Wie groß das Ausmaß der
Spannungen aber war, wissen wir durch die Niederschrift einer Beschwerde, die Rebell im
August 1825 dem Oberstkämmereramt mündlich vorgetragen hat. Darin bezog sich der
Direktor auf „das rohe und subordinationswidrige Benehmen des k.k. Kustos Ruß, wo-
durch er sich veranlasst sah, ihn ab officio zu suspendiren“.81 Es mag sein, dass neben dem
persönlichen auch der fachliche Ehrgeiz entscheidend war für die Kluft, die sich zwischen
den beiden Künstlern auftat. Ruß hatte von sich als Historienmaler eine sehr hohe Mei-
nung und gestattete es sich demzufolge, auf den „Prospektenmaler“ Rebell82 hinabzuse-
hen. Zudem sah sich Ruß durch seinen gesellschaftlichen Hintergrund sehr gefestigt: Er
war acht Jahre lang Kammermaler von Erzherzog Johann gewesen, verkehrte mit den be-
deutendsten Persönlichkeiten der österreichischen Geschichtsschreibung und war ein ge-
suchter Maler, dessen Atelier, „in welchem Bild an Bild vom Boden bis zur Deke [sic!] hing,
alle seine Schöpfungen, alle der Verherrlichung vaterländischer Geschichte geweiht“,83
von Einheimischen und Fremden als eine sehenswerte Attraktion gewertet wurde.84 Ein
Aufstieg aber war ihm trotz dieser Referenzen verwehrt geblieben. Doch haben sich die
Wogen letztlich dann doch geglättet, und man fand zu einem kollegialen modus vivendi.
In der Folge konzentrierte sich Ruß mit dem Zweiten Kustos Sigmund von Perger85 unter
der Leitung von Josef Rebell auf das Restaurieren der Gemälde und die Instandhaltung des
Museumsbetriebs.
Doch dauerte die Direktionszeit von Josef Rebell gerade einmal vier Jahre. Auf einer Rei-
se im Dezember 1828 erkrankte der Maler an Tuberkulose und starb wenig später im Alter
von 41 Jahren in Dresden.86 In einem Nachruf auf Josef Rebell in „Hormayr’s Archiv“ steht
zu lesen, unter diesem als Galeriedirektor „gewann die kais. Gemähldegallerie eine weit
zweckmäßigere Aufstellung und viele der großen Meisterwerke wurden in den unteren Sä-
len restaurirt, während in den eigentlichen Galleriesälen die Bilder mehr nach den Schulen
und Meistern geordnet, durch angemessene Beseitigung störender Nachbarschaft hervor-
gehoben, in vorwärts bewegliche Rahmen gefaßt und durch neue Täfelung der Wände
gesichert wurden“.87
Die Direktionszeit von Johann Peter Krafft 1828 bis 1856 und die „Moderne Schule“
Interessanterweise gab es nach dem Tod von Josef Rebell weder eine Ausschreibung, noch
ein langwieriges Auswahlverfahren, sondern es wurde unter der Hand und noch dazu
ziemlich spontan entschieden, dass Johann Peter Krafft die Nachfolge antreten sollte (Abb.
12). Schon am 25. Dezember 1828 wurde dieser „durch die Ernennung als Gallerie Direk-
tor und Schloßhauptmann in k.k. Bellvedere überrascht, indem Se: M: ohne ein Bittgesuch
um die erledigte Stelle abzuwarten, ihn ernannten“, ist dazu in seiner Autobiographie zu Abb. 12
Josef Danhauser, Johann Peter Krafft, 1825/26,
Kupferstich. Wien, Belvedere, Inv.-Nr. 7627
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Untertitel
- Europäische Museumskultur um 1800
- Band
- 2
- Autor
- Gudrun Swoboda
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 264
- Kategorie
- Kunst und Kultur