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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Seite - 408 -
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408 Savoy Unschätzbare Meisterwerke Form jener modernen Statistik, die im 19. Jahrhundert zum „wichtigsten Instrument eines kontinuierlichen self-monitoring von Gesellschaften“ (Osterhammel)4 werden sollte. Das Geistige und Ästhetische, die „pittoreske Schönheit“ musste sich einem verwaltungstech- nischen Schema unterwerfen – mit wunderbaren, bis heute kaum beleuchteten Folgen für die kunsthistoriographische Forschung. Eine dieser Folgen führt an die Schnittstelle zwi- schen Kunst- und Wirtschaftsgeschichte, Geschichte des europäischen Geschmacks und des Marktes. Es geht um den Preis der europäischen Kunst in Paris um 1800. ADMINISTRATIVE SCHÖNHEIT Am Anfang war die kalte Leere der Tabelle.5 Neun Spalten, beidseitig auf große schwere Papierbögen gedruckt, dienten als Matrix für die Erfassung des staatlichen Kunstbesitzes (Abb. 1). Damit war in erster Linie der Kunstbestand im Musée Napoléon gemeint, der Nachfolgeinstitution des 1793 gegründeten Musée central des Arts. Über Anzahl und Ti- tel der Rubriken gab es zwischen Denon, seinem Auftraggeber Daru und dessen als Antrei- ber eingesetztem Cousin Henri Beyle von Oktober bis Dezember 1810 einiges Hin und Her. Schließlich einigte man sich auf ein Modell, das für alle Gattungen von Kunstgegen- ständen tauglich zu sein schien: Gemälde wie antike Skulpturen oder Vasen, Handzeich- nungen wie Gemmen, kunstgewerbliche Objekte. Jede Seite des Inventars sollte links mit einer Spalte NUMMER beginnen, gefolgt von den Rubriken NAME DES MEISTERS, BEZEICHNUNG DES SUJETS, MAßE (HÖHE UND LÄNGE), HERKUNFT, SCHÄTZPREIS DES GEGENSTANDES, SCHÄTZPREIS DES RAHMENS/DES PODESTS, AKTUELLER STANDORT sowie, ganz rechts BEMERKUNGEN. Keine der vorgesehenen Spalten war breiter als 7 cm. Und da sowohl die Namen der Rubriken als auch die sie trennenden senk- rechten Linien auf allen leeren Seiten des auszufüllenden Verzeichnisses vorgedruckt wa- ren, gab es auch keinen Platz für etwaige Abweichungen. Aber auch für die Beschreibun- gen von Materialien etwa oder Erhaltungszuständen, wie sie sonst in Sammlungsverzeich- nissen der Zeit üblich waren, war kein Platz vorgesehen. Das ist bezeichnend: Obwohl der „catalogue général“ (heute und im Folgenden: Inventaire Napoléon) offensichtlich ältere Tendenzen und Formen der Erfassung von Kunstsammlungen aufgriff und steigerte, un- terschied er sich doch in seiner Morphologie wesentlich von allem, was es in Europa bis dahin an Museumsinventaren gegeben hatte. In seiner administrativen Schönheit machte er um 1810 Dinge sichtbar, die bis dahin irrelevant, verborgen oder selbstverständlich ge- blieben waren – andere Dinge aber wurden dafür unsichtbar. Da ist zunächst die Rubrik HERKUNFT („Origine“). Bekanntlich setzte sich das Musée Napoléon in seinem Zustand 1810 aus Werken unterschiedlichster Provenienzen zusam- men: aus den ehemaligen Sammlungen der französischen Könige, aus den auf dem gan- zen Territorium der Republik ab 1791 beschlagnahmten aristokratischen und kirchlichen Sammlungen sowie, ab 1794, aus den sogenannten „conquêtes artistiques“ der Französi- schen Republik und des Empire in den Niederlanden, Italien, dem deutschsprachigen Raum und Spanien. Es ist bemerkenswert, dass gerade die Rubrik HERKUNFT des Inven- taire Napoléon zwischen dem Museumsmann Denon und dem Wirtschaftsbeamten Daru Gegenstand einer – nicht nur – philologischen Diskussion wurde. Denon schlug zunächst eine Spalte „Provenance“ (Provenienz) vor. Daraufhin äußerte Daru den Wunsch, man möge sie bitte in „Origine“ (Herkunft) umbenennen und um eine weitere Rubrik ergän- zen, die den umständlichen Titel „wie die Werke erworben wurden“ tragen sollte.6 Dass sich hinter diesem Herkunftsbegriff keine kunsthistorische Kategorie – also weder eine tra- ditionelle geographische Verortung der Kunstwerke im Sinne von „Schulen“, noch eine chronologische Darstellung ihrer im Laufe der Jahrhunderte mehrfach gewechselten Besit-
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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Untertitel
Europäische Museumskultur um 1800
Band
2
Autor
Gudrun Swoboda
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79534-6
Abmessungen
24.0 x 28.0 cm
Seiten
264
Kategorie
Kunst und Kultur
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