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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Seite - 412 -
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412 Savoy Unschätzbare Meisterwerke ausstellungen mit der damit verbundenen Mobilität und Gefährdung von Kunstwerken noch nicht existierte.12 Und auf die Idee, die Werke schätzen zu lassen, um sie möglicher- weise weiterverkaufen zu können, dürfte um 1810 schwerlich jemand gekommen sein, hatte sich doch in ganz Europa seit den 1750er Jahren das Prinzip der Unveräußerlichkeit großer fürstlicher bzw. nationaler Sammlungen verfestigt.13 Zwar waren in den großen Be- schlagnahmungsjahren 1793/94 zahlreiche französische Sammlungen taxiert worden, be- vor sie nationalisiert wurden (Abb. 6),14 und protzten hier und da gedruckte Museums- kataloge mit den hohen Summen, die für die Erwerbung dieser oder jener Werke nötig gewesen waren, doch hinter den Museumskulissen in und außerhalb Frankreichs – sprich in internen Verzeichnissen – scheint um 1800 der Preis der Kunst keine Rolle gespielt zu haben. Waren die Werke einmal in einer öffentlichen Sammlung angelangt, so schienen sie „auf ewig“15 vor dem Markt geschützt zu sein. Deshalb also noch einmal: Wozu die Spalte PREIS im Inventaire Napoléon? Mehr als Hypothesen können an dieser Stelle nicht formuliert werden. Sicherlich ver- anlasste die verheerende Wirtschaftskrise der Jahre ab 1810 die französische Regierung dazu, sich grundsätzlich über den finanziellen Wert des staatlichen Kunstbesitzes eine Übersicht verschaffen zu wollen. Bei jährlichen Ausgaben von über 500 Mio. Francs für die Armee (1811: 460 Mio, 1812: 520 Mio., 1813: 585 Mio.)16 ist es nur verständlich, dass der Senat und die Generalintendantur sich über alle bis dahin nicht bezifferten Formen des Staatsvermögens informieren wollten. Aus der Perspektive des Museumsdirektors Denon, der ja diese Spalte PREIS selber vorgeschlagen zu haben scheint, waren hohe Summen mit vielen Nullen schon immer eine gute Möglichkeit gewesen, seine nicht immer kunstinter- essierten Vorgesetzten – in erster Linie den Kaiser selbst – von der Wichtigkeit seines Mu- seums oder der Notwendigkeit bestimmter Anschaffungen, Renovierungs- bzw. Umbau- maßnahmen zu überzeugen. Davon zeugt unter vielen anderen Beispielen ein glücklicher- weise überlieferter Brief, den Denon Ende 1806 an Napoleon sandte, um ihn von einem partiellen Abtransport der Dresdner Gemäldegalerie nach Paris zu überzeugen. Da hieß es: „Die Geldwerte, die in den Verträgen nie gänzlich ausgezahlt werden, könn- ten hier durch einige Stücke ergänzt werden, die einen tatsächlichen Wert bekämen, da sie vollständig in den Schatz Ihres Ruhmes Eingang fänden und auf ewig dort verblieben. Auch wenn Ihre Majestät nur wenige Gegen- stände fordern würde, so wäre damit doch in jedem Falle ein großer Wert gewonnen. Ein einziges Gemälde von Raffael aus der Sammlung von Dres- den ist vom König August mit 9000 Louis bezahlt worden, für Ihre Majestät ist es das doppelte wert. Die Nacht von Correggio hat mindestens densel- ben Preis; zwei weitere Correggios und ein Holbein sind vom selben Range. Dieser letztgenannte Maler fehlt Ihrem Museum. Es ist keine Plünderung, die ich Ihrer Majestät vorschlage, wenn ich sie bitte, vier oder sechs Gemäl- de einer Sammlung zu fordern.“17 Museumspraxis und Ökonomie, Autonomie der Künste und wirtschaftliche Denkmecha- nismen – deutlicher als mit diesem Brief lässt sich Denons strategisches Interesse an einer Bezifferung des in seinem Museum angehäuften (Kriegs-)schatzes nicht schildern. Das Inventaire Napoléon, das unter seiner Leitung entstand, war dementsprechend doppel- gesichtig: einerseits ein Instrument zur sorgfältigen Beschreibung, Klassifizierung und Ver- ortung von tausenden Kunstwerken; andererseits eine Aufstellung symbolischer und finan- zieller Werte im Kontext nationaler Affirmation und knapper Staatskassen. Dass diese Wer- te gleichzeitig ein Spiegel kulturgeschichtlicher Werte waren, macht die Spalte PREIS des Inventaire Napoléon retrospektiv besonders reizvoll.
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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Untertitel
Europäische Museumskultur um 1800
Band
2
Autor
Gudrun Swoboda
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79534-6
Abmessungen
24.0 x 28.0 cm
Seiten
264
Kategorie
Kunst und Kultur
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