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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Seite - 433 -
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433 Bähr Ein Blick in die Sammlung Einen neuen Schwerpunkt hinsichtlich der Auswahl der reproduzierten Gemälde setzte der Londoner Verleger John Boydell in der zweibändigen Veröffentlichung der Walpole’schen Sammlung aus Houghton Hall 1788.34 Die 129 großformatigen Gemäldereproduktionen fokussierten nun nicht mehr auf die italienischen Meisterwerke, wie sie in der Sammlung tatsächlich überwogen, sondern setzten diese gleichberechtigt neben die niederländische Schule (Abb. 14). Damit zollte Boydell nicht nur einem immer mehr an nordischen Malern interessierten Liebhaberpublikum seinen Tribut, sondern lieferte auch Sujets, die in der Umsetzung in das als englische Manier bezeichnete Mezzotinto ihre besondere Brillanz er- hielten. Als geschäftstüchtiger Verleger würdigte er auch den Stammsitz der Sammlung, indem er die bereits 1735 von Isaac Ware veröffentlichten 28 Ansichten des Gebäudes und der Gartenanlage den Gemäldestichen voranstellte. Sie zeigen einige Ausstattungsdetails, geben jedoch nichts von der Präsentation der erst 1744 eingerichteten Sammlung zu er- kennen. Mit Hilfe der in der Stichlegende vermerkten Raumnennung konnte der Betrach- ter doch zumindest eine vage Vorstellung von der opulenten Einrichtung in Galerie und Kabinett erhalten – und damit von einer Sammlung, die bei Erscheinen des Galeriewerks nicht mehr existierte, war sie doch 1779 an Katharina II. verkauft worden. Zudem wurde das Galeriewerk hier zum Denkmal einer aufgelösten Sammlung, mit der nun nicht mehr der Besitzer seine Bedeutung als Sammler unterstrich, sondern dessen Glanz den Umsatz der Publikation befördern sollte. Auch die beiden letzten groß angelegten Galeriewerke des Jahrhunderts, die Galerie du Pa- lais Royal,35 1786 bis 1808, und die Galerie de Florence et du Palais Pitti,36 1789 bis 1810, beide in Paris von Verlegern als kommerzielle Unternehmungen in einzelnen Lieferungen herausgegeben, begreifen die Persönlichkeit des Sammlers und den Ort der Sammlung nur mehr als vagen Referenzpunkt. Nicht mehr als elitäre Stichwerke, sondern mit hand- buchartigem Kunstwissen und umfangreichen Reproduktionen wenden sie sich an ein breites Publikum. Während die Galerie du Palais Royal von Jacques Couché mit 369 der einst ca. 500 Gemälde ein letztes Zeugnis der 1791 aufgelösten Sammlung der Orléans gibt, zeigt die Galerie de Florence des Verlegerkonsortiums Louis Joseph Masquelier, Étienne Lacombe und Jean Baptiste Wicar 200 Meisterwerke aus den Uffizien. Beide Publikationen wollten in ansprechenden Stichen und prägnanten, informationsreichen Texten anhand von berühmten Gemäldesammlungen einen Überblick über die Kunstgeschichte liefern und dabei als Sprachrohr einer klassizistischen Kunsttheorie fungieren, ohne sich dabei auf den konkreten Ort der Sammlung zu beziehen. Im Mittelpunkt steht dabei die Geschmacksbil- dung, die gerade das Galeriewerk mit der besonderen Möglichkeit, eine Vielzahl unter- schiedlicher Maler zu vergleichen, bietet und damit einer in den Vorworten explizit beton- ten Ausbildung der Kennerschaft dienen kann. Das Galeriewerk hat sich zu einer Malerei- geschichte mit kunsthistorischem Diskurs und breitem Bilderkanon erweitert. Dabei finden beide Werke neue Darstellungsformen: Wurden die Stiche bislang allenfalls mit knapper Legende formatfüllend gezeigt, ordnet Couché die beschreibenden Texte nun direkt un- ter dem Kupferstich an, so dass die Geschichte der Malerei auf sprachlicher wie bildlicher Ebene dargeboten wird (Abb. 15). In der Galerie de Florence erscheinen die Gemälderepro- duktionen begleitet von antiken Skulpturen, Kameen oder Gemmen, wodurch nun die moderne Malerei direkt mit antiken Werken verglichen werden kann (Abb. 16). Wie selbst- verständlich hat sich in beiden Werken eine chronologische Anordnung nach Malerschu- len durchgesetzt, mit deren Kriterien und Charakteristika auch in den Texten selbstsicher formuliert wird. Was sich in der Hängung in den Galerien selbst erst gegen Ende des Jahrhunderts langsam durchsetzt, hat sich im Museum auf Papier längst vollzogen und konnte in diesem oft nur mehr ideellen Museum von einem internationalen Liebhaber- und Gelehrtenpublikum studiert werden. Abb. 16 Galerie de Florence et du Palais Pitti, 1789: E. Duponchel nach Raffael, Madonna della Seggiola, Taf. 25
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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Untertitel
Europäische Museumskultur um 1800
Band
2
Autor
Gudrun Swoboda
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79534-6
Abmessungen
24.0 x 28.0 cm
Seiten
264
Kategorie
Kunst und Kultur
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