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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Seite - 441 -
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441 Patz Schulzimmer falls in einem Vergleich der Präsentation von Kunstgegenständen enden lässt, mit dem Appell, diese ans Licht zu bringen und jeden einzelnen an seinem gehörigen Platz aufzu- stellen: „Denn seine Worte strömten so rasch dahin, und sein Vortrag entflog so schnell, daß ich ihre Gewalt und ihren Schwung zwar wahrnehmen, aber ihre Spuren und ihren Weg kaum sehen konnte, und als ob ich in ein reich begütertes Haus eingetreten wäre, in dem herrliche Decken nicht ausgebreitet, das Silbergeschirr nicht aufgesetzt, Gemälde und Bildsäulen nicht frei aufgestellt, sondern alle diese vielen und prachtvollen Schätze aufgeschichtet und verpackt wären, so habe ich in dem Vortrag des Crassus die Reich- tümer und Kostbarkeiten seines Geistes gleichsam durch Hüllen und Decken erblickt; aber als ich sie näher zu betrachten wünschte, war es mir kaum vergönnt, einen Blick auf sie zu werfen. Und so kann ich zwar nicht sagen, daß ich gar nicht wisse, was er besitze, aber auch nicht, daß ich sie genau erkannt und gesehen habe. Warum thust du nun nicht das- selbe [...], was du thun würdest, wenn du in ein mit Kostbarkeiten angefülltes Haus oder Landgut kämest? Wenn hier alles, wie du sagst, beiseite gelegt wäre und du sehr verlang- test, es zu sehen, so würdest du nicht Anstand nehmen, den Besitzer zu ersuchen, er möchte es hervortragen lassen, zumal wenn er dir befreundet ist; bitte denn nun auch auf gleiche Weise [...], jene Menge seiner Kostbarkeiten, die wir an einem Ort aufgeschichtet gleichsam durch ein Gitterfenster im Vorbeigehen obenhin erblickt haben, ans Licht zu bringen und jedes einzelne an seinem gehörigen Platz aufzustellen!“15 Wie Kunstsammlungen waren auch Bibliotheken Sammelstätten, die ihren Stoff aus verschiedenen Zusammenhängen in Büchern zusammenfassten. Doch im Kontrast zu den pluridisziplinären Sammlungen war ihr Bild maßgeblich durch die Gestalt einer kohären- ten Ordnung geprägt.16 Sie evozieren die Vorstellung von geordneten Bücherreihen, wie es auch geschichtlich verbürgt ist. Die aus der Ordnung resultierende Optik dominierte dabei die Repräsentation. Folglich sind Bilder von Bibliotheken durch einen konstanten Willen zur Darstellung von Kohärenz und Systematik geprägt, die Ordnung bleibt damit das maßgebliche Element, das sich in den Köpfen der Betrachter und schließlich im ‚kul- turellen Gedächtnis‘ gespeichert hat. Ordnung des Wissens war in der Bibliothek immer auch physische Ordnung. Sie ist die Herstellung einer gesicherten Verfügbarkeit, eine Si- cherung des Wissens durch Wiederauffindbarkeit. Ordnung in einer Bibliothek ist die Ver- ortung in einem realen Raum, das Herstellen eines Ortsrasters, in dem man sich zuverläs- sig zurecht findet. Die physische Natur postuliert für seine Wiederauffindbarkeit einen de- finierten Ort; die Rezeption setzt einen Weg im Raum, um an das Objekt zu gelangen, voraus. Zentral sind das Sortieren und Einordnen von Wissen sowie die Zugänglichkeit des Wissens, das dank sorgfältiger Katalogisierung und Ordnung gefunden und genutzt wer- den kann. Das zugrundeliegende Modell ist ein Gebäude mit verschiedenen Stockwerken, Eingängen, Treppen und Räumen, das eine genaue Einordnung des Wissens ermöglicht. Mit dem richtigen Lageplan kann dann das katalogisierte Wissen gefunden und benutzt werden. Dieses Modell von Wissensmanagement impliziert, dass das Wissen allen zugäng- lich sein soll, die Zutritt zum Haus und seinen einzelnen Räumen haben. Wie in den Bibliothekskatalogen des 18. Jahrhunderts sind die Gemälde der Sammlung bei Mechel in zwei Verzeichnissen zusammengefasst, sozusagen dem ‚Standortkatalog‘ als genauem Spiegelbild der Ordnung des Buchbestandes und dem alphabetischen Katalog. Vor allem machte der enorme Umfang des ‚Standortkatalogs‘ seine Erschließung durch ein solches alphabetisches Register erforderlich. Der Standortkatalog ist in seiner Funktion zu- meist auch ein systematischer Katalog.17 In Ergänzung zur Klassifikationstafel, die als Organisationsmodus häufig vom Bücher- katalog übernommen wurde, kam mitunter als Zugangswerkzeug für die Kenntnis der Bi- bliothek ein Bibliotheksplan hinzu, der die Anordnung der Bücher auf den Regalen und die Disposition der Sammlungen im Raum der Bibliothek widerspiegelte.18 Diese ins Werk ge-
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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Untertitel
Europäische Museumskultur um 1800
Band
2
Autor
Gudrun Swoboda
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79534-6
Abmessungen
24.0 x 28.0 cm
Seiten
264
Kategorie
Kunst und Kultur
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