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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
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460 Décultot Museum als sichtbare Geschichte Sicherlich brauchte Mechel keine langen Überlegungen, um sich für Willes Haus zu ent- scheiden, da dieses dabei war, sich europaweit zu einer zentralen Drehscheibe künstleri- scher Aktivitäten und Geschäfte zu entwickeln.5 Mechel traf Wille in der ersten Phase eines rasanten beruflichen und gesellschaftlichen Aufstiegs. Zwei Jahre vor seiner Ankunft in Paris war Wille zum assoziierten Mitglied der Pariser Académie royale de Peinture ernannt wor- den – ein Vorgang, der durch die Ernennung zum Vollmitglied im Sommer 1761 gekrönt wurde. Diese Aufnahme öffnete ihm die Tore zahlreicher weiterer Akademien in Frankreich und in ganz Europa (Augsburg [1756], Rouen [1756], Wien [1768], Kopenhagen [1770], Dresden [1771], Berlin [1791]), was den Ruhm und den Preis seiner Stiche erhöhte. Seit seiner Niederlassung in Paris hatte sich Wille ein dichtes Netz sozialer Beziehungen aufgebaut, zu dem Künstler, Schriftsteller, Kunstliebhaber, Büchersammler und Gelehrte bürgerlichen oder adligen Ursprungs gehörten. Als er um 1740 in ein Haus rue de l‘Observance eingezo- gen war, hatte er beispielsweise Diderot als Nachbarn kennen gelernt und sich mit ihm an- gefreundet.6 Mit Jean-Baptiste Greuze (1725–1805), der ihn 1763 porträtierte (vgl. Abb. 1), pflegte er freundschaftlichen Umgang. Kaum ein deutscher Parisreisender unterließ es in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, den berühmt gewordenen deutschsprachigen Kupferstecher in seinem Haus aufzusuchen, zumal dort offenbar gerne offener Tisch gehal- ten wurde. Sein Tagebuch, dessen erste aufbewahrte Eintragungen auf das Jahr 1751 datiert sind und die für die Periode 1759–1795 von Georges Duplessis im 19. Jahrhundert ediert wurden, liefert die genaue Chronik dieses überaus reichen gesellschaftlichen Verkehrs.7 Als Mechel 1757 bei Wille eintraf, war dessen Haus zunächst als eine hochangesehene Stecherwerkstatt bekannt, aus der schon zahlreiche Stiche des Meisters hervorgegangen waren. Unter den Platten, die kurz vor Mechels Ankunft Wille Anerkennung eingebracht hatten, seien hier beispielsweise La mort de Cléopâtre (1754) nach Caspar Netscher, La dé- videuse (1755) nach Gerard Dou oder La cuisinière hollandoise (1756) nach Gabriel Metsu aufgeführt.8 Seiner Vorliebe für die ländlichen, bzw. bürgerlichen, alltäglichen Motive der niederländischen und flämischen Malerei, die sich in den Stichen der 1750er Jahre kund- tut, blieb Wille in den folgenden Jahren treu. Während Mechels Aufenthalt in Paris stach er u.a. La Gazettiere hollandoise (1758) nach Gerard ter Borch, La Liseuse (1761) nach Dou und Le Petit Physicien (1761) nach Netscher.9 Damit entfernte sich Wille immer deutlicher von den Themen, die ihn in seinen ersten Pariser Jahren bekannt gemacht hatten. In den 1740er Jahren hatte er sich vorwiegend mit Portraits von Adligen beschäftigt, wie etwa seine Stiche nach Bildnissen von Hyacinthe Rigaud (Charles-Louis-Auguste Fouquet de Belle-Isle, Maréchal de France, 1743, oder Maurice de Saxe, Duc de Curlande et de Semigallie, Maréchal de France, 1745) nachweisen.10 Diese Wandlung spiegelt eine gründliche Ver- änderung in der Zielrichtung und ästhetischen Orientierung der modernen Stechkunst wider. Die auftragsgebundene Porträtstecherei, die vor allem als Reproduktionsgeschäft wahrgenommen wurde und oft mit dem komplexen Spiel der Dedikationen an adlige Protektoren verbunden war, gab Wille allmählich auf, um frei gewählte Bilder aus der niederländischen und flämischen Malerei zu reproduzieren, die in einem breiteren bürger- lichen Publikum zahlreiche Abnehmer fanden. Diesem Stecherverlag hatte Wille eine Akademie hinzugefügt, die zwei miteinander eng verzahnte Bereiche umfasste: das Atelier und die „Teutsche Zeichnungsschule“. Im Zeitraum von ca. 1755 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wurden unter seiner Leitung ungefähr 70 Künstler im Atelier ausgebildet, die sich in verschiedene Gruppen verteilten. Die „pensionnaires“ wurden von adligen Gönnern oder bürgerlichen Elternhäusern mit Kost und Lehrgeld ausgestattet und zu Wille für 2 bis 4 Jahre geschickt. In der Regel wohn- ten sie in Willes Haus und nahmen an den Familienmahlzeiten gelegentlich teil. Waren die „pensionnaires“ dank deren Mäzenen oder Eltern von direkten Arbeiten für den Wille-Ver- lag befreit, so mussten die „élèves“ sich größtenteils über Verlagsaufträge, die Wille ihnen
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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Untertitel
Europäische Museumskultur um 1800
Band
2
Autor
Gudrun Swoboda
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79534-6
Abmessungen
24.0 x 28.0 cm
Seiten
264
Kategorie
Kunst und Kultur
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