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Gaehtgens Auf dem Weg zur Kunstgeschichte
Johann Wilhelm hatte in den Jahren 1709–1714 unmittelbar angrenzend an das Düssel-
dorfer Schloss einen Galeriebau errichten lassen (Abb. 2). Er kann in der Geschichte des
Museums als einer der frühesten angesehen werden. Obwohl ein völlig eigenständiges
Gebäude, war er doch an einer Ecke mit dem Schloss verbunden. Dennoch ist bereits
sichtbar, dass der Kurfürst seiner Bilder- und Skulpturensammlung einen eigenständigen
Raum zuweisen wollte, in dem sie geordnet Besuchern vorgeführt werden konnte.
Im Parterre des Gebäudes wurden die umfangreichen Sammlungen an Antiken, vor al-
lem Abgüsse, untergebracht. Die obere Etage war den Gemälden gewidmet. Das Galerie-
gebäude wurde vom Schloss aus durch ein mit Allegorien geschmücktes Treppenhaus be-
treten. Die erste Etage bildeten fünf Säle, von denen die Eckräume in ihren Ausmaßen
deutlich kleiner waren. Die drei Hauptsäle wurden der flämischen Malerei (Abb. 3), der
mittlere Rubens und der letzte Raum der italienischen Schule gewidmet (Abb. 4). Dass sich
die zum Teil sehr großformatigen 45 Gemälde von Rubens im Zentrum des Baus befan-
den, ist der Wertschätzung zu verdanken, die Johann Wilhelm von der Pfalz gerade diesem
Künstler gegenüber empfand.3
1719, drei Jahre nach dem Tod Johann Wilhelms, in der Regierungszeit seines Bruders
und Nachfolgers, Karl Philipp (1662–1742), entstand ein Verzeichnis der Werke der kur-
fürstlichen Galerie, verfasst von dem Hofmaler und Galerieinspektor Gerhard Joseph
Karsch (1661–1753).4 Der Katalog ist Beleg für den Willen des Fürsten, die Besucher über
Künstler und Werke der Galerie nach neuestem Wissensstand in Kenntnis zu setzen. Es
handelt sich dabei allerdings nur um eine Liste der Gemälde, die nicht weiter kommentiert
werden.
Aus diesem Verzeichnis ergibt sich, dass die Malschulen noch nach dekorativen Ge-
sichtspunkten gemischt gehängt waren. Man kann erschließen, dass gewisse Konzentra-
tionen von Werken einiger Maler den Eindruck bestimmt haben müssen. Die Gemälde von
Rubens waren im Zentrum der Anlage untergebracht, der letzte Raum den Italienern ge-
widmet und auch die Werke van der Werffs scheinen zusammen ausgestellt worden zu
sein. Im Übrigen ist jedoch, folgt man dem Verzeichnis, weder eine thematische Ordnung
noch ein Arrangement nach Künstlern oder Malschulen konsequent durchgeführt. Man
kann nur vermuten, dass bestimmte künstlerische Kriterien wie Komposition, Zeichnung
und Farbe den Maler Karsch in seiner Ordnung geleitet haben. Leider geben die Eindrü-
cke, die Montesquieu bei seinem Besuch in Düsseldorf 1729 tief beeindruckt notierte, kei-
nen weiteren Aufschluss über die Ratio der Hängung der Galerie.
Eine Generation später, kurz nach der Jahrhundertmitte, entwickelte auch der Sohn
Karl Philipps, Kurfürst Carl Theodor (1724–1799), der in Mannheim und nicht in Düssel-
dorf residierte, großen Ehrgeiz, die Sammlungen zu ordnen, zu erweitern sowie bekannt
und zugänglich zu machen.5 Für die Düsseldorfer Gemäldegalerie suchte der Kurfürst zu-
nächst fachmännische Hilfe in Paris und beauftragte 1754 François-Louis Colins (1699–
1760) mit einer neuen Ordnung und der Abfassung eines korrigierten Kataloges, der 1756
im Druck erschien.6 Vergleicht man die Hängung, wie sie in diesem Werk vorgestellt wird,
mit der von Karsch, so wird deutlich, dass zu diesem Zeitpunkt gewisse Veränderungen
vorgenommen wurden, die aber nicht grundsätzlicher Natur waren. Dies sollte sich aller-
dings sehr bald ändern.
II. Die Neuordnung Krahes und sein gescheitertes Galeriewerk
Im Jahre 1756 übernahm der Maler Lambert Krahe (1712–1790) die Position des Inspek-
teurs der Gemäldegalerie am kurfürstlichen Hof in Düsseldorf. Krahe hatte als Maler viele
Jahre in Italien gelebt und Carl Theodor für den Aufbau des Mannheimer Kupferstichkabi-
netts italienische Werke geliefert.7 Kaum in Düsseldorf angekommen, sah er sich mit der
Aufgabe konfrontiert, die Galerie wegen des 7-jährigen Krieges (1756–1763) auszulagern.
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Untertitel
- Europäische Museumskultur um 1800
- Band
- 2
- Autor
- Gudrun Swoboda
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 264
- Kategorie
- Kunst und Kultur