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Gaehtgens Auf dem Weg zur Kunstgeschichte
Wir wissen, dass Mechel sich 1770 in Düsseldorf aufgehalten hat, um das Katalogprojekt
weiterzubringen. Möglicherweise gab er zu diesem Zeitpunkt den Auftrag, die Wände mit
den Gemälden als Zeichnungen wiederzugeben, eine Vorlage, die für die Stiche benötigt
wurde.15
Damit war im Prinzip die Vorlage der Wand für den Stecher geschaffen. Allerdings er-
folgte noch ein weiterer Schritt vor dem Druck. Ein zartes, durchsichtiges Papier wurde auf
die Wandaufrisse gelegt und die Gemälde als Aquarell in schwarz-weiß nochmals abgebil-
det (Abb. 16). Dieses Blatt mit allen Bildern auf der Wand sollte offenbar dazu dienen, die
Valeurs, die Farbdichte im Gesamteindruck für den Druck festzulegen.
Erst jetzt konnte die Herstellung der Platten erfolgen, die leider nicht erhalten sind. Das
Getty Research Institute besitzt allerdings zu jedem Blatt Probedrucke, die belegen, dass
Christian von Mechel und seine Mitarbeiter mit verschiedenen Schwarz- und Brauntönen
experimentierten (Abb. 17). Die Arbeit der Stecher war außerordentlich mühselig und
konnte nur mit Vergrößerungsgläsern ausgeführt werden. Immer wieder mussten dabei
die großen Rötelzeichnungen zu Rate gezogen werden, die die verlässlichsten Bildquellen
darstellten. Mehrere Stecher haben die Werkstatt von Mechel wegen der schwierigen und
unbefriedigenden Arbeitsbedingungen verlassen.
VI. Rezeption und Kritik der Stiche
Die Abbildungen des Kataloges wurden keineswegs allgemein als großes publizistisches
Ereignis gefeiert. In gewissem Sinn hat das Werk erst in unserem Jahrhundert seinen wirk-
lichen Ruhm erfahren. Die Zeitgenossen haben es eher skeptisch beurteilt. Der Grund war,
dass die Gemälde so klein reproduziert waren, dass sie in ihrer künstlerischen Bedeutung
nicht erkannt werden konnten. Selbst mit einer Lupe kann man die malerische Qualität
der Bilder nicht beurteilen. Pigage und Mechel haben dieses Urteil vorausgesehen und da-
her im Préface des Kataloges darauf hingewiesen, dass trotz aller Genauigkeit, um die sich
die Stecher bemüht hatten, die Kunstwerke eher identifiziert als wirklich gewürdigt wer-
den könnten.16
Der große Vorteil, alle Wände mit der Anordnung der Gemälde reproduziert zu haben,
war im Prinzip eine Fortsetzung einerseits des Stichwerks von Salomon Kleiner, der in ähn-
lichem Format die mit Gemälden bedeckten Wände in Schloss Hubertusburg in Pommers-
felden in Stichen abgebildet hatte (Abb. 5). Die Reproduktionen der Bilder waren dort je-
doch deutlich kleiner und summarischer, so dass das Stichwerk von Pigage und Mechel
diesem Vorläufer gegenüber als ein entscheidender Fortschritt angesehen werden konnte.
Das einzige Vorbild eines Stichwerks, das die Disposition der Gemälde an den Wänden
wiedergibt, war das 1728 und 1731 von Anton Prenner herausgegebene Theatrum Artis
Pictoriae.17 Die Idee, die ganzen Wände zu repräsentieren, hatte in dem 1763 erschiene-
nen Katalog der Bildergalerie in Sanssouci von Matthias Oesterreich einen weiteren Vor-
läufer. Allerdings wurde dort auf die Wiedergabe der Bilder selbst verzichtet und nur die
Rahmen mit den Nummern und den Angaben der Künstler angegeben.18
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Untertitel
- Europäische Museumskultur um 1800
- Band
- 2
- Autor
- Gudrun Swoboda
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 264
- Kategorie
- Kunst und Kultur