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Gaehtgens Auf dem Weg zur Kunstgeschichte
Leben und Wirken des Malers, ist von allzu schwerfälligen Details über andere Werke ent-
lastet, um sich den sichtbaren Gegebenheiten des Gemäldes zuzuwenden. Nicht als Künst-
lergeschichte, sondern als analytische Kunstgeschichte möchte man diesen Text charakte-
risieren. Diesen Text, dem eine gleichsam pädagogisch-aufklärerische Haltung zugrunde
liegt, kann jedermann verstehen.
Durch diese didaktische Perspektive unterscheiden sich die Kommentare auch grund-
sätzlich von Carl Heinrich von Heineckens Texten im Recueil d’Estampes der Dresdener
Galerie, deren erste beide Bände 1753 und 1757 erschienen. Diese Texte sind eher als
wissenschaftliche Diskurse zu bezeichnen. Sie verweisen auf andere Bilder des Künstlers,
führen Hinweise auf Autoren auf, die bereits über das Gemälde geschrieben haben, und
nennen die Provenienz des Werkes.23 Die Kommentare sind mit Zitaten und Fußnoten für
Kenner und Fachleute geschrieben und suchen die wissenschaftlich-systematische Grund-
lage der entstehenden Disziplin Kunstgeschichte zu etablieren. Über Jahre gepflegte inter-
nationale Kontakte, insbesondere mit Pierre-Jean Mariette in Paris, lieferten Material für die
dichten Kommentare, die die Stiche der Recueils begleiten. Sie wenden sich nicht an ein
weiteres Publikum, sondern an Kenner. Gegenüber diesen früheren Werken tritt somit der
Katalog von Pigage und Mechel mit den Kommentaren von Laveaux umso deutlicher als
eine Neuerung hervor.
Laveaux bemühte sich um Verständlichkeit und verfolgte die Absicht, den Besuchern
einen eindringlichen Zugang zu den Gemälden zu verschaffen. Sie sollten nicht einer be-
stimmten gesellschaftlichen Schicht vorbehalten bleiben. Das Galeriewerk Carl Theodors
erscheint weit weniger als ein Produkt höfischer Repräsentation, sondern als ein Unterneh-
men, das der allgemeinen Bildung dienen sollte. Die Neuauflage des Textes im Jahre 1781
in kleinem Format zu niedrigem Preis war eine geradezu konsequente Folge dieses päda-
gogischen Konzepts. Auch die Stiche mit der Wiedergabe der Wände konnten in diesem
Sinne als ein Mittel dienen, einen Überblick über die Malerschulen zu gewinnen. Selbst
wenn man keine Gelegenheit fand, die Galerie zu besuchen, konnte der Katalog geradezu
als ein kunsthistorisches Nachschlagewerk benutzt werden.
Man wird sich die Frage stellen müssen, wie Laveaux als Autor des Textes zu den für
die Abfassung des Kataloges notwendigen Kenntnissen gelangte. Von einer künstlerischen
Ausbildung des jungen Mannes ist nichts bekannt. Auch hat er sich nach seiner Mitwir-
kung an den von Mechel herausgegebenen Werken, soweit wir wissen, nicht mehr publi-
zistisch mit Kunst beschäftigt. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass er sich bei der Abfas-
sung auf Angaben, vielleicht sogar schriftliche Vorgaben stützte. Aus der aufmerksamen
Lektüre des Kataloges kann man jedoch einige Schlüsse ziehen und vermuten, dass er sich
einige Zeit in Düsseldorf aufgehalten haben muss. Nur vor den Originalen kann er die aus-
führlichen und sehr genauen Beschreibungen formuliert haben, die auch immer wieder
Farbangaben enthalten. Aber über diesen Umstand hinaus kann man annehmen, dass ihn
wohl Lambert Krahe selbst durch die Galerie geführt hat. Denn der Katalog vermittelt ei-
nige grundsätzliche Gesichtspunkte, die für die Hängung ausschlaggebend waren.
Krahe konzipierte die Wände auf streng symmetrische Weise. Das im Format größte
Gemälde wurde – nur der Rubenssaal bildete wegen der vielen großen Formate eine
Ausnahme – in die Mitte gehängt, die Seiten sollten in der Ordnung der Bilder einander
möglichst entsprechen. Krahe suchte daher nach Pendants, die gelegentlich weit ausein-
ander hingen. Das Grundprinzip, die Wand als eine Einheit zu betrachten, auf der die Bilder
einen ausgewogenen Gesamteindruck vermitteln konnten, führte er konsequent durch.
Betrachtet man die Nummerierung der Werke im Katalog, kann dieses Ordnungs-
system verfolgt werden, denn die Pendants folgen hintereinander. Nehmen wir als Beispiel
die große Wand im Saal der italienischen Bilder (Abb. 4). Der Katalog beginnt mit
der Himmelfahrt Marias von Carlo Cignani (Cat. 108) in der Mitte, springt dann zu der
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Untertitel
- Europäische Museumskultur um 1800
- Band
- 2
- Autor
- Gudrun Swoboda
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 264
- Kategorie
- Kunst und Kultur