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Gaehtgens Auf dem Weg zur Kunstgeschichte
Laveaux’ Katalogtexte bezeugen eine genaue Kenntnis der Prinzipien, mit der die Hän-
gung von Krahe in der Düsseldorfer Gemäldegalerie vorgenommen worden war. Seine
Kommentare enthalten zudem oft Hinweise auf die Geschichte der Bilder oder sogar, wie
im Fall eines Werkes von Carlo Dolce (Cat. 166), genaue Angaben über Anmerkungen auf
der Rückseite.
IX. Ein Werk der Aufklärung
Der Katalog der Düsseldorfer Galerie, herausgegeben im Jahre 1778 von Nicolas de Piga-
ge und Christian von Mechel, bestimmt in wesentlichen Teilen geschrieben von Laveaux,
ist nur scheinbar ein leicht verständliches Unternehmen. Die meist betonte Originalität der
Abbildung der Wände der Galerie, die dem Leser einen optischen Durchgang durch die
Sammlung ermöglicht, kann nur in einem weiteren Zusammenhang richtig verstanden
werden. Das Werk war ungewöhnlich vielschichtig und im Grunde ein Kompromiss, oder
vielleicht besser: das Ergebnis eines höchst komplexen Planungsprozesses in einer Epoche
des Umbruchs.24
Am Anfang stand der Versuch Lambert Krahes, in der Nachfolge des Dresdener Gale-
riewerks die wichtigsten Gemälde der Galerie in großformatigen Stichen herauszugeben.
Diese Absicht scheiterte, da Krahe keine ausreichende finanzielle Unterstützung des Kur-
fürsten erhielt, er selbst aber nicht in der Lage war, ein solches ökonomisches Unterneh-
men zu tragen. Er hat diese Absicht allerdings nie aufgegeben und immer wieder mit eng-
lischen Partnern eine Realisierung dieser Idee versucht.
Der eigentliche Anstoß zur Realisierung des Kataloges war das fürstliche Repräsenta-
tionsbedürfnis, den herrschaftlichen Besitz in einem Stichwerk zu verbreiten, wobei die
Galerie nur einen kleinen Teil ausmachen sollte. Da der Katalog das umfangreichste und
bedeutendste Ergebnis dieser ehrgeizigen Initiative bleiben sollte, ist der repräsentative,
man könnte auch sagen: politische Wille des Auftrags wenn nicht vergessen, so doch in
den Hintergrund der Beschäftigung mit diesem Werk geraten. Die kunsthistorische Anlei-
tung, bei der man wie in einem illustrierten Buch die Hängung vor Augen hat, bestimmte
die Philosophie dieses Kataloges.
Man kann das Unternehmen von Pigage und Mechel aber nur richtig verstehen, wenn
man es in seiner ganzen Vielschichtigkeit rekonstruiert und in dem Kontext der Epoche be-
trachtet. Aus dem repräsentativen Stichwerk war ein der Erziehung und Bildung gewidme-
tes Produkt entstanden. Das war keineswegs geplant, sondern ergab sich aus der Ge-
schichte der Herstellung, den Überzeugungen und wirtschaftlichen Ambitionen der Her-
ausgeber, die dem wachsenden Interesse auch bürgerlicher Schichten an der Kunst zu
entsprechen suchten. Der Katalog wandte sich nicht mehr nur an den fürstlichen Eigentü-
mer der Sammlung und diejenigen Mitglieder des Adels, die von ihm mit diesem Werk be-
schenkt werden sollten. Pigage und Mechel folgten ihren eigenen wirtschaftlichen Inter-
essen und druckten das Werk in einer hohen Auflage, weshalb es noch heute in vielen Bi-
bliotheken zu finden ist. Da Carl Theodor die Produktion und das wirtschaftliche Risiko
ganz in die Hände der Herausgeber gelegt hatte, suchten sie nach einer Form, die eine
breitere Käuferschicht finden konnte. Dem entsprachen die Reduktion des Aufwands und
der Verzicht auf eine zu repräsentative Ausstattung. Sie orientierten das Werk in einem pä-
dagogischen Sinn zum Nutzen eines weiteren Leserkreises, dem der Zugang zum Ver-
ständnis der Kunst ermöglicht werden sollte. In diesem Sinne ist die Galerie électorale de
Dusseldorff ou Catalogue raisonné et figuré de ses tableaux, herausgegeben von Pigage und
Mechel, im Textteil verfasst von Laveaux, ein Unternehmen der Aufklärung.
Um die Mitte des 18. Jahrhunderts können an verschiedenen Orten Initiativen beob-
achtet werden, die fürstlichen Sammlungen neu zu präsentieren. Diese Bemühungen wur-
den allerdings durch den 7-jährigen Krieg unterbrochen. In den 1760er Jahren waren die
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Europäische Museumskultur um 1800, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Untertitel
- Europäische Museumskultur um 1800
- Band
- 2
- Autor
- Gudrun Swoboda
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 264
- Kategorie
- Kunst und Kultur