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Christine Neugebauer-Maresch, Eva
Lenneis60
kleine Datenbasis etwas erschwert. Die größte Gruppe sind
die Kinder (neonatus–juvenil) mit 18 Bestattungen. Für 16
davon ist die Orientierung bekannt (Abb. 16d). Die insge-
samt vorherrschende SO–NW Lage dominiert in dieser
Gruppe noch etwas mehr (57
%), aber bereits die zweithäu-
figste Orientierung ist nicht die genau antipodische Orien-
tierung NW–SO, sondern die Ausrichtung W–O (31 %).
Zieht man nochmals alle Gräberdaten in Betracht, so zeigt
sich, dass alle W–O orientierten Gräber (insgesamt 5 oder
10
% aller beurteilbaren Bestattungen) solche von Kindern
/ Jugendlichen sind. Die allgemein zweitrangigen NW-ori-
entierten Gräber sind bei den Kindern nur durch das Grab
eines Kleinstkindes (Verf. 80) vertreten, ebenso wie die ins-
gesamt seltenste Orientierung N–S, die allein bei einem
Neonatus (Verf. 64) feststellbar war.
Die zweitgrößte Gruppe ist mit 16 Befunden jene der
Männergräber, 13 davon sind in der Orientierung doku-
mentiert (Abb.
16b). Die allgemein überwiegende SO–NW
Lage ist hier am extremsten ausgeprägt, da acht (61 %) der
Männer so gebettet waren. Von den übrigen, in Kleinha-
dersdorf festgestellten Orientierungen ist nur die insgesamt
zweithäufigste NW–SO Lage auch bei den Männergräbern
in der gleichen Häufigkeit (4 Gräber – 31
%) zu finden, nur
ein Mann (8 %) wurde O–W ausgerichtet bestattet, kein
einziger W–O, N–S oder NO–SW.
Die kleinste und mit nur zehn Befunden statistisch
kaum mehr auswertbare Gruppe ist jene der Frauen, wobei
leider nur für acht Bestattungen die Orientierung bekannt
ist (Abb. 16c). Die Hälfte (4–50 %) waren wieder in der
Hauptorientierung SO–NW bestattet worden, zwei Frauen
in der antipodischen Orientierung NW–SO und nur je eine
N–S und NO–SW.
Die Erfassung der Blickrichtung der Toten ist insbeson-
dere infolge taphonomischer Prozesse und der Störung /
teilweise der Zerstörung der Gräber gerade im Kopfbereich
mit einigen Unsicherheitsfaktoren belastet. Aus diesem
Grunde beschränken sich die Angaben auf die Haupthim-
melsrichtungen und die einfachen Zwischenwerte wie SO,
NW etc. (Tabelle 4). Diese Angaben sind aufgrund des
schlechten Erhaltungszustandes einiger Skelette oder deren
unzureichender Dokumentation (Grabungen 1931) nur für
33 Bestattungen möglich. Mehr als die Hälfte der Toten von
Kleinhadersdorf blickt nach Süden, am meisten nach SW
(10–31
%) und genau nach S (9–27
%), nur einmal nach SO.
Blickrichtung O fehlt, während NO die dritthäufigste
Richtung darstellt (5–15 %), gefolgt von Blickrichtung N
(4–12
%), W (3–9
%) und wieder nur einmal NW, die Anti-
pode zu SO (Abb.
17).
Die Ausrichtung der Toten in bandkeramischen Grä-
berfeldern weist eine große Variabilität auf. Als gemeinsa- mes Merkmal zeigt sich in nahezu allen bisher publizierten
Plätzen eine Hauptorientierung der Bestattungen, zu der in
vielen, aber nicht allen Fällen auch die antipodische Orien-
tierung einen wichtigen Platz einnimmt44. Die Hauptorien-
tierung kann einen Anteil von 40–75 % haben, worauf wir
in weiterer Folge noch im Detail zurückkommen werden.
Nur das Gräberfeld von Rutzing in Oberösterreich lässt
keine derartige Hauptrichtung erkennen, der maximale An-
teil einer Ausrichtung beträgt 25
% (5 Gräber) in NO–SW
Orientierung, die in Kleinhadersdorf dominante SO–NW
Orientierung ist nur einmal nachgewiesen45. Die leider allzu
kleine Anzahl von nur 20 orientierbaren Gräbern sowie
der Verlust mehrerer Gräber durch die teilweise Zerstö-
rung dieses Platzes ist vermutlich die Ursache für diesen
Befund.
Eine noch deutlicher ausgeprägte Dominanz der SO–
NW Orientierung als in Kleinhadersdorf ist in den Gräber-
feldern von Vedrovice festzustellen, wo deren Anteil 82,5
%
(66 von 80 Bestattungen) beträgt. Der wesentlich kleinere
Rest (14 Bestattungen) ist antipodisch, also NW–SO, orien-
tiert46. Eine ähnlich klare Bevorzugung der SO–NW bis
O–W Ausrichtung ist bereits bei der kleinen altbandkera-
mischen Gräbergruppe in Těšetice-Kyjovice zu beobach-
ten47. In dem jungbandkeramischen Gräberfeld von Nitra
44. Jeunesse 1997, 62 f.
45. Kloiber, Kneidinger 1970, 25 Textabb. 1.
46. Ondruš 2002, 126–128. – Podborský 2002b, 327.
47. Dočkalová, Koštuřík 1996.
Abb.
17: Kleinhadersdorf: Blickrichtung aller Körpergräber –
%-Anteile (E. Lenneis, Ch. Neugebauer-Maresch).
Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
- Titel
- Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
- Autoren
- Christine Neugebauer-Maresch
- Eva Lenneis
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-7598-8
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 406
- Schlagwörter
- Neolithic, LBK, cemetery, archaeology, prehistory, Kleinhadersdorf, Lower Austria, Neolithikum, Linearbandkeramik, Archäologie, Urgeschichte, Gräberfeld, Kleinhadersdorf, Niederösterreich
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen