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Auswertung 61
beträgt der Anteil der SO–NW orientierten Toten mehr als
50 % (37 Bestattungen), weitere Ausrichtungen sind in je-
weils kleiner Anzahl vertreten, die antipodische Orientie-
rung NW–SO fehlt. J. Pavúk vermutet in der überwiegen-
den Ausrichtung der Toten nach O/SO eine Bezugnahme
auf die in dieser Richtung liegende Siedlung48. Eine derartige
Interpretation wäre auch für Vedrovice49 möglich sowie
vielleicht für Kleinhadersdorf (siehe Abb.
2), ist jedoch auf-
grund mehrfacher gegensätzlicher Beobachtung zu hinter-
fragen. So sind die Toten in den drei großen bayerischen
Gräberfeldern überwiegend ONO–WSW orientiert (42–
58 %), die zugehörigen Siedlungen liegen aber jeweils in
Richtung S, SO oder O50. Eine gleichartige Dominanz der
Hauptorientierung O–W bis ONO–WSW zeigt auch ein
weiteres bayerisches Gräberfeld, Essenbach-Ammerbrei-
te51. Bei den beiden altbandkeramischen Gräberfeldern in
Thüringen, Sondershausen und Bruchstedt, dominiert klar
die Ausrichtung nach NO bis NNO52, während die Toten
der jungbandkeramischen Gräberfelder in Sachsen-Anhalt
wieder vor allem O–W (Derenburg) sowie in erster Linie
O–W aber auch W–O (Halberstadt) orientiert sind53. Im W-
Teil des LBK-Gebietes dürfte die Ausrichtung nach W zu-
nehmend dominieren. So stellt in Flomborn die Ausrich-
tung O–W mit Abweichungen nach N und S bis 45° noch
die Hauptorientierung dar (36 Bestattungen), aber die um-
gekehrte Ausrichtung W–O hat einen nur wenig geringeren
Anteil (31 Bestattungen), wozu noch einzelne SW–NO,
WSW–ONO und NW–SO orientierte Gräber kommen54.
In Niedermerz auf der Aldenhovener Platte überwiegen
hingegen deutlich SW–NO orientierte Gräber55. Noch wei-
ter im NW in Elsloo zeigen die Körpergräber eine allgemei-
ne Tendenz der Ausrichtung zwischen W–O und NW–SO
mit wenigen Ausnahmen von SW–NO orientierten Grä-
bern56, während z. B. die Gräber von Ensisheim im Elsass
fast einheitlich NNO–SSW (35 von 37 Bestattungen) ausge-
richtet sind57. In dem von der älteren bis in die jüngste LBK
belegten Gräberfeld von Stuttgart „Viesenhäuser Hof“
konnte ein Wandel der Hauptorientierung von mehrheitlich
W–O bis NW–SO ausgerichteten Gräbern in der älteren
48. Pavúk 1972, 32 f.
49. Ondruš 2002, 10, Obr. 2.
50. Nieszery 1995, 69
ff. und 55 Abb.
21.
51. Brink-Kloke 1990, 431, Tabelle
1.
52. Kahlke 2004, 52 und 128.
53. Fritsch et al 2011, 86 f.
54. Richter 1969, 158
ff.
55. Dohrn-Ihmig 1983, 61 f.
56. Modderman 1985, 95.
57. Jeunesse 1997, 129
ff. LBK zu überwiegend O–W bis SSO–NNW orientierten in
der mittleren / jüngeren LBK beobachtet werden58.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es schwierig zu ent-
scheiden, inwieweit die im östlichen Mitteleuropa domi-
nante Hauptorientierung SO–NW chronologisch oder re-
gional bedingt ist. Für die größere Bedeutung der regionalen
Tradition spricht, dass nicht nur die frühen Gräber von Ve-
drovice und Těšetice-Kyjovice in Mähren, sondern auch die
späten Gräber von Nitra ebenso wie Kleinhadersdorf diese
Hauptorientierung aufweisen.
Ein geschlechtsspezifischer Vergleich der Totenorien-
tierung im Detail wäre nur auf der Basis der Aufbereitung
der publizierten Einzeldaten möglich, diesbezügliche Hin-
weise der einzelnen Autoren sind zumeist eher summarisch
und kaum vergleichbar. Allein für die Kinder steht eine Zu-
sammenschau von acht Gräberfeldern zur Verfügung. Diese
zeigt eine weitgehende Übereinstimmung der Ausrichtung
der Kinder- und Erwachsenengräber, was mit den Beobach-
tungen in Kleinhadersdorf nur z.
T. in Einklang zu bringen
ist. Wie oben angeführt, dominiert hier bei allen Körpergrä-
bern die SO–NW Ausrichtung, nur bei den Kindern ist aber
die W–O-Ausrichtung vertreten. Die bei den Kindern (und
Erwachsenen) von Kleinhadersdorf fehlende Ausrichtung
nach SW fehlt auch bei den von Siemoneit zusammenge-
stellten Kindergräbern59, was wohl mit der Auswahl der
Gräberfelder zu erklären ist.
5.1.1.2 Körperhaltung
In Kleinhadersdorf gibt es nur zwei Fälle, in denen zwei
Tote gemeinsam in einer Grabgrube bestattet wurden. In
einem Fall, dem einer maturen Frau zusammen mit einem
58. Price et al. 2003, 28.
59. Siemoneit 1997, 89
ff. und Abb.
62.
Abb.
18: Kleinhadersdorf: Totenlage – %-Anteile rechte und linke
Hocker (E. Lenneis).
Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
- Titel
- Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
- Autoren
- Christine Neugebauer-Maresch
- Eva Lenneis
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-7598-8
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 406
- Schlagwörter
- Neolithic, LBK, cemetery, archaeology, prehistory, Kleinhadersdorf, Lower Austria, Neolithikum, Linearbandkeramik, Archäologie, Urgeschichte, Gräberfeld, Kleinhadersdorf, Niederösterreich
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen