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Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
Seite - 78 -
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Christine Neugebauer-Maresch, Eva Lenneis78 Becken und ihren Knien Platz schaffen wollte? Eine weitere Möglichkeit, sie mit der „normalen“ Armhaltung zu bestat- ten, wäre auch gewesen, ihren Rücken näher an den Rand der Grabgrube zu betten, aber gerade dort scheint ein relativ großer Freiraum ausgespart. Die beiden eben besprochenen Toten waren „beigabenlos“, aber waren sie das wirklich? Der mature Mann von Verf. 17 war hingegen auch mit erhaltenen Beigaben ausgestattet, wobei die Dechselklinge recht weit ab von dem stark kontraktierten Körper am Ran- de einer großen leeren Fläche liegt. Rekonstruiert man die Dechselschäftung, so hat diese darin zwar bequem Platz, die ausgesparte Fläche erscheint allein für diesen Holzschaft etwas zu groß. Da sich in seiner erhaltenen Ausstattung auch eine Pfeilspitze befand, ist denkbar, dass auch sein Bo- gen irgendwo in diesem Grab deponiert war. Bei dem Kleinstkind von Verf. 26 hat sich zwar der aufwendige Schneckenschmuck vermutlich eines Häubchens erhalten, aber keine Beigabe. Die Grabgrube ist für den kleinen Kör- per um etwa ein Drittel zu groß angelegt und oberhalb des Kopfes – ein beliebter Platz für erhaltene Beigaben (siehe nachfolgend Kapitel 5.2.1) – ist ein scheinbar ungenützter Freiraum festzustellen. War das Kind wirklich „beigaben- los“? Die Grabgrube des Kindes von Verf. 43 ist merkwür- dig rundlich. Hinter dem Rücken des Toten wurde der Platz für die Niederlegung einer großen Reibplatte genutzt, aber was lag in dem großen Freiraum vor seinem Körper? Das kleine Kind von Verf. 59 wurde in einer extrem zusammen- gepressten Lage in eine scheinbar viel zu große Grabgrube gelegt. Wieder sind keine Beigaben erhalten, aber besonders die sogar noch etwas ausgebuchtete leere Fläche vor und oberhalb des Köpfchens lässt fehlende Objekte vermuten. Ähnlich auch die Situation bei dem Kleinstkind von Verf. 671, bei dem dicht am Körper eine Reibplatte deponiert ist, aber besonders unterhalb der Beine und auch vor Kopf und Körper noch reichlich Platz für Beigaben wäre. Selbst bei der nur als Leichenschatten erhaltenen und „beigaben- losen“ Bestattung von Verf. 45 scheint eine Fläche hinter dem Rücken und besonders hinter den Füßen für etwas ausgespart zu sein. Ähnlich die Situation bei der adulten, „beigabenlosen“ Frau von Verf. 65. Bei dem auch mit erhaltenen Beigaben reichlich ausgestatteten Jugendlichen von Verf.  672 erstaunt die extreme Kontraktion des Skelet- tes in einer geräumigen Grabgrube. Oberhalb des Kopfes deponierte man ganz an den Rand gedrückt drei keramische Gefäße und ließ eine große Fläche scheinbar ungenützt. Was mag hier wohl fehlen? Schließlich findet sich das Kleinst- kind von Verf. 80 zusammen mit den erhaltenen Beigaben einer Reibplatte und Keramik in eine Hälfte seiner Grabgrube gedrängt, während die zweite Hälfte „leer“ blieb. Wie aus den eben besprochenen und durchaus noch ver- mehrbaren Beispielen hervorgeht, sollte man die deutlichen „Leerflächen“ in den Gräbern mehr beachten und die Mög- lichkeit des Verlustes vieler wertvoller Beigaben aus ver- gänglichen Materialien bei der Beurteilung der Grabausstat- tungen in Betracht ziehen. H.-D. Kahlke hat dies bei der Beurteilung der Lage der Skelette sowie aufgrund der nur in Sondershausen derart vorgefundenen Ausbuchtungen, die z.  T. „vollgestopft mit Beigaben“ und z.  T. „leer“ sind, eben- so gesehen und von der „Fiktion von „arm“ und „reich“ ausgestatteten Gräbern“ gesprochen120. Die zahlreichen Funde aus bandkeramischen Brunnen in den letzten Jahren haben uns gelehrt, wie reich und vielfältig das Spektrum die- ser vergänglichen Objekte sein kann, und eine Ahnung ver- mittelt von dem, was wir wohl auch für die Gräber als Bei- gaben anzunehmen haben. Die Beurteilung der jeweiligen Grabausstattungen mit „reich“, „arm“ oder „beigabenlos“ ist daher sehr problematisch und soll in weiterer Folge mög- lichst vermieden werden. Der vermutlich eher kleine Teil der Grabausstattungen, der sich erhalten konnte, liefert uns wahrscheinlich ein völlig verzerrtes Bild des tatsächlichen sozialen Status der einzelnen Personen. Dennoch können Analysen dieser Grabausstattungen einige interessante In- formationen geben, die mit Beobachtungen in den übrigen Gräberfeldern der LBK vergleichbar sind, da die oben ange- sprochenen Probleme der Erhaltung für alle Gräber im frühneolithischen Mitteleuropa gelten. 5.2.1 Die Lage der Beigaben in den Gräbern (Eva Lenneis) Die in manchen Fällen knapp bemessene Größe der Grab- gruben Erwachsener (siehe Kapitel 5.1) führte dazu, dass besonders bei den Beinen wenig Freiraum blieb und Beiga- ben nur selten in diesem Bereich anzutreffen sind. Das Feh- len von Funden im Bereich der Beine ist bei den Kindern von Kleinhadersdorf ohne Ausnahme festzustellen, die Er- klärung des Platzmangels ist aber hier kaum anwendbar (siehe oben). Somit ist wohl eher die Interpretation gerecht- fertigt, dass die Platzierung jener Beigabenkategorien, die sich bis heute erhalten konnten, im Bereich der unteren Körperteile, besonders im Bereich der Beine, rituell nicht oder nur ausnahmsweise üblich war. In Kleinhadersdorf fand sich nur jeweils ein Mahlstein bei einem Mann zwi- schen bzw. eigentlich auf den angehockten Beinen (Grab Verf. 79 – Tafel 46) und bei einer Frau vor deren Knien (Grab 1c – Tafel 1). Nur zwei Männer hatten auch Objekte im Be- reich der Füße: In einem Fall war dies ein Graphitstück (G. 8 – Tafel 8/Fund-Nr. 2), im zweiten Fall ein Silexgerät am 120. Kahlke 2004, 58.
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Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
Titel
Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
Autoren
Christine Neugebauer-Maresch
Eva Lenneis
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-7001-7598-8
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
406
Schlagwörter
Neolithic, LBK, cemetery, archaeology, prehistory, Kleinhadersdorf, Lower Austria, Neolithikum, Linearbandkeramik, Archäologie, Urgeschichte, Gräberfeld, Kleinhadersdorf, Niederösterreich
Kategorien
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