Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
Seite - 116 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 116 - in Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf

Bild der Seite - 116 -

Bild der Seite - 116 - in Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf

Text der Seite - 116 -

Christine Neugebauer-Maresch, Eva Lenneis116 Was deuten die Pfeilspitzen in den Gräbern an, wozu wurden Pfeil und Bogen bei den LBK-Gemeinschaften be- nutzt? Verwendete man sie primär zur Jagd (Subsistenzjagd und Schutzjagd) oder als Kriegswaffe? Letzteres würde ei- nen gewissen Statuswert für diese Geräte bedeuten. Einen ausschließlichen Symbolwert, ohne jede praktische Funkti- on – wie es im späteren Verlauf des Neolithikums zum Teil für Streitäxte der Fall war – mag man hier sicher ausschlie- ßen. Sofern die erstgenannten Funktionen archäologisch nicht dekodierbar werden (etwa durch eine signifikante An- zahl erschossener Tiere oder Menschen), bleibt die komple- xe Bedeutung von Pfeil und Bogen für die Bandkeramiker eine offene Frage. Allerdings weist ihre Funktion als reprä- sentative Grabbeigabe durchaus auf ihren hohen Stellen- wert hin. Auf der Basis von Siedlungsfunden ist meist fast nicht feststellbar, ob die Jagd in der LBK eine wichtige Rolle ge- spielt hat. Artefakte, die man als Pfeilköpfe interpretieren könnte, kommen in Siedlungen nur selten vor. Auch die Nachweise von Wildtieren sind in den Siedlungen mit eini- gen Ausnahmen255 nicht sehr zahlreich. Dies sehen einige Forscher als Argument dafür, dass die Jagd im Frühneolithi- kum Mitteleuropas, vor allem im östlichen Verbreitungsge- biet der LBK, eine mindere Rolle gespielt hat und dass die frühen Bauern eine andere Lebensweise als die mesolithi- schen Jäger und SammlerInnen hatten256. Aber spiegeln die archäologischen Quellen in den Siedlungen eine reale Situation wider? Wie schon oben erwähnt, sind im westlichen Verbreitungsgebiet Pfeilspit- zen sowohl in Siedlungen als auch in Gräbern viel häufiger. Diese Pfeilspitzen sind meistens dreieckig und deshalb von anderen Artefakten in den Siedlungen gut unterscheidbar. Demgegenüber würde man normalerweise die trapezähnli- chen Formen aus Kleinhadersdorf und Vedrovice, wenn man sie in einer Siedlung findet, nicht als Pfeilköpfe inter- pretieren. Sie sind in der Siedlung nicht von den üblichen Klingenbruchstücke und anderen Gerätfragmenten (z.  B. gebrochenen Endretuschen) zu unterscheiden. Das könnte ein Grund sein, warum die Pfeilspitzen in Siedlungen der östlichen LBK-Kultur so selten sind. Sie wurden einfach nicht als Pfeilspitzen erkannt. Wir wissen auch nicht, ob nur Pfeile mit Steinspitzen oder auch Spitzen aus anderen Mate- rialien (z.  B. Harthölzer) verwendet wurden, die nicht mehr archäologisch nachweisbar sind. Aber auch die typologisch definierten Trapeze kommen in den LBK-Siedlungen nur sehr selten vor. Das könnte auf der einen Seite mit den Gra- bungsmethoden zusammenhängen, auf der anderen Seite ist 255. Pucher 1988; Schmitzberger 2009. 256. Vencl 1986. gefunden. Die 14C-Daten der beiden Gräber sind allerdings etwas jünger als jene der ältesten LBK-Siedlung Brunn, Fst. II245. Im Grab 2 wurde zusammen mit einer Männerbestat- tung eine Garnitur von sechs Trapezen und im Kindergrab (Grab 4) wurde ein Trapez festgestellt. Fünf von sechs Tra- pezen in dem Männergrab 2 sind aus Szentgál-Radiolarit gefertigt und ein Trapez ist aus lokalem Mauer-Radiolarit. Auch das Trapez des Kindergrabes ist aus einem transdanu- bischen Radiolarit (Typ Úrkút-Eplény) hergestellt246. Im Gegensatz zu Kleinhadersdorf und Vedrovice wurden hier lange Trapeze (Typ AA) und längere Formen der kurzen Trapeze (Typ AZ)247 gefunden. Lange Trapeze sind auch in den ältesten LBK-Siedlungen von Brunn, Fst. IIa und IIb, sehr häufig248. Möglicherweise wurden die Pfeilspitzen von Brunn II aber nicht quer, sondern eher schräg oder seitlich auf den Pfeilschäften befestigt. Als Pfeilköpfe werden auch die Trapeze aus dem Män- nergrab in der Siedlung Schwanfeld angesehen249. Nach den 14C-Daten sollte das Grab in die älteste Besiedlungsphase gehören und so wurde der verstorbene Mann erst vor kur- zem als Gründer der Siedlung interpretiert250. In Schwanfeld wurden sechs kurze (AZ) und ein breites Trapez (AC) ge- funden. Kurze Trapeze überwiegen in den meisten Fundstellen der älteren LBK, vor allem in Deutschland251. In der klassi- schen und späten LBK verschwinden Trapeze im westlichen Mitteleuropa, und auch im östlichen Mitteleuropa treten sie nur noch selten auf. Pfeil und Bogen haben offenbar ihre Bedeutung als Grabausstattung verloren. Zum Beispiel wurde im Gräberfeld von Nitra nur in einem einzigen Grab ein Trapez bzw. trapezähnliches Bruchstück gefunden (Grab 76)252. Im Gegensatz zum östlichen Mitteleuropa sind im westlichen Verbreitungsgebiet der LBK-Trapezspitzen und dreieckige Pfeilspitzen charakteristisch. Diese treten während der gesamten LBK auf, oft auch in Gräbern. Sie sind besonders an der westlichen Peripherie der LBK häufig und behalten ihre Bedeutung auch in den späteren LBK- Phasen253. Ihre Wurzeln reichen ins lokale Mesolithikum zurück254. 245. Lenneis, Stadler 1995, Tab. 1. 246. Mateiciucová 2008, Table 59. 247. Kozłowski 1980, 16, figs 28–32. 248. Mateiciucová 2002a, Table 54, Fig. 10, Fig. 11. 249. Gronenborn 1997. 250. Gronenborn 2003. 251. Mateiciucová 2008, Table 6. 252. Pavúk 1972, 56, Abb.  29.10. 253. Fiedler 1979. – Storch 1984/85, 30, 46. – Gronenborn 1997, 100–101. 254. Gronenborn 1990. – Löhr 1994. – Gehlen 2010.
zurück zum  Buch Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf"
Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
Titel
Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
Autoren
Christine Neugebauer-Maresch
Eva Lenneis
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-7001-7598-8
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
406
Schlagwörter
Neolithic, LBK, cemetery, archaeology, prehistory, Kleinhadersdorf, Lower Austria, Neolithikum, Linearbandkeramik, Archäologie, Urgeschichte, Gräberfeld, Kleinhadersdorf, Niederösterreich
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf