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Christine Neugebauer-Maresch, Eva
Lenneis128
in Derenburg und Halberstadt276, aber auch in Vedrovice277.
Nur vereinzelt finden sich Reibplatten/-fragmente von ge-
ringer Dicke (2 cm und darunter) und mit völlig ebenen
Oberflächen. So gibt es in Aldenhoven-Niedermerz neben
neun gebrochenen Getreidemühlen mit Farbspuren auch
zwei kleine, anpassende Fragmente einer Reibplatte278. Ein
gleichartiges Zahlenverhältnis bieten die bayerischen Grä-
berfelder, wo allein aus Aiterhofen ein einziges, ebenfalls
kleines Fragment einer dünnen Reibplatte vorliegt279. Für
die sechs „Reibsteine“ aus Flomborn gibt es leider keine
Abbildungen, da die Objekte bereits verloren sind, die in
einigen Fällen angegebenen Maße betreffen nur Länge und
Breite280. Die drei großen annähernd vollständigen Reib-
platten aus Kleinhadersdorf (G. 1c/5, 43/2, 69/2) dürften
somit innerhalb der LBK Seltenheitswert haben. Rechnet
man noch die beiden kleineren Reibplattenfragmente (G. 8,
G. 10) dazu, so stehen in Kleinhadersdorf fünf Reibplatten
15 (17) sekundär verwendeten Mahlsteinfragmenten gegen-
über (Tabelle 27/1, 2). Dies bedeutet, dass der Anteil der
Reibplatten, die nie als Getreidemühlen gedient haben kön-
nen, in Kleinhadersdorf innerhalb dieser Beigabenkategorie
etwa 25 % beträgt, während dieser Anteil sonst maximal
10
% erreicht haben dürfte.
Interessant ist nun, dass für die Reibplatten auch ein an-
deres Rohmaterial Verwendung fand als für die Mahlsteine.
Während letztere durchwegs aus mittelkörnigem Quarz-
sandstein gefertigt sind, der für die Produktion von Mehl
beste Eigenschaften hat, sind die Reibplatten aus feinem
Sandstein, der für das Zerreiben von Farbmineralien sehr
gut, für jenes von Getreidekörnern aber wenig geeignet
ist281. Ähnlich wie schon bei den Dechseln und Beilen mani-
festiert sich also auch hier eine bewusste Materialauswahl.
Die Sekundärverwendung von gebrochenen Getreidemüh-
len für das Zerreiben der Farbmineralien zeigt, dass für die
letztere Tätigkeit geringere Ansprüche gestellt wurden. Die
Wichtigkeit der hohen Qualität eines Mahlsteines wird hin-
gegen durch den ganz erstaunlichen Import eines Teiles des
Rohmaterials aus Mittelböhmen deutlich, das anhand der
Einschlüsse von Glaukonit im Quarzsandstein diagnosti-
ziert werden kann (siehe Kapitel 6.3). Drei der in Kleinha-
dersdorf gefundenen Mahlsteinfragmente (7/4, 67-1/1,
81/2) zeigen dieses bemerkenswerte Fremdmaterial, dessen
276. Fritsch et al. 2010, 198f.
277. Ondruš 2002, 25 Abb. 15b/1; 37 Abb. 30/3; 41 Abb. 36/1; 67
Abb.
69b/1, 8; 95 Abb.
101/1.
278. Dohrn-Ihmig 1983, 85, 122, Taf. 21/1.
279. Nieszery 1995, 161 – Aiterhofen Grab 200 Tafel 61.
280. Richter 1969, 160–172.
281. Freundliche Mitteilung M. Götzinger.
gefertigt, und zwar jeweils aus Grobkorn Amphibolit, der
aus einer nicht näher definierbaren Quelle im Moldanubi-
kum (Böhmische Masse) stammt. Die übrigen für die Beile
verwendeten Rohmaterialien sind von minderer Qualität,
ihre Herkunftsgebiete nicht genau zu bestimmen.
5.2.3.4 Reibplatten und Mahlsteinfragmente (Eva Lenneis)
Die Bestattungen von Kleinhadersdorf waren in unge-
wöhnlich reicher Weise mit Reibplatten und Mahlsteinfrag-
menten ausgestattet worden. Beide Objekttypen dürften im
funeralen Zusammenhang wohl in erster Linie zum Zerrei-
ben von Farbstoffen gedient haben, wobei leider nur auf
sieben Stücken auch Reste in Form von Rötel-/Ockerspu-
ren erhalten geblieben sind (Tabelle
27/1–2).
In einigen Fällen waren diese Rötelreste auf der Arbeits-
fläche abgrenzbar und sind daher auch auf den Zeichnungen
so festgehalten (Abb. 43: G. 1c/5; G. 7; Abb. 44: 80/3), in
anderen Fällen glichen diese Rötelspuren eher Schatten
ohne deutliche Grenzen (Abb.
43: 43/2; 44/9; Abb.
44: 7/4).
Wichtig ist, dass derartige Spuren auch auf einem der beiden
Reibesteine (44/8) festzustellen waren, womit ein deutlicher
Hinweis auf die Funktion dieser Stücke gegeben ist.
Die größten und offensichtlich weitgehend vollständi-
gen Stücke sind Reibeplatten von erstaunlich geringer Di-
cke (Abb.
43), und zwar jene aus Grab 1c/5 mit nur 2,1
cm
sowie aus Grab Verf. 43 (43/2) mit 2,5
cm Dicke. Die Frag-
mente aus G.
10 und Grab Verf. 44 (44/9) weisen sogar Di-
cken unter 2 cm auf. Alle diese Stücke haben sicherlich nie
zum Mahlen von Getreide gedient, da sie unter dem Druck
geborsten wären. Bei zwei weiteren Stücken aus G. 8
(Abb.
43) und Grab Verf. 69 (69/2 – Abb.
44) wäre zwar die
Dicke von 3,4 bzw. 5–6 cm auch für die Verwendung als
Mahlstein ausreichend, die beiden Objekte zeigen aber kei-
nerlei Merkmale einer solchen Nutzung.
Alle übrigen Stücke sind eindeutig Fragmente ehemali-
ger Getreidemühlen, wobei maximal die Hälfte bis ein Drit-
tel, in einigen Fällen noch weniger, der ehemaligen Läufer
oder Unterlagsplatten erhalten ist (Tabelle
27/1–2). Die Se-
kundärverwendung als Reibunterlage für Farbe ist am deut-
lichsten an den beiden Stücken aus G. 7 (Abb.
43) und Grab
Verf. 80 (80/3 – Abb.
44) zu erkennen.
In jenen LBK-Gräberfeldern, wo diese Beigabenkate-
gorie überhaupt vorhanden ist, dominieren die gebroche-
nen Getreidemühlen als Reibunterlagen für Farbstoffe oder
stellen überhaupt die einzige Form dieser Art dar. Letzteres
ist in Sondershausen und Bruchstedt275 ebenso der Fall wie
275. Kahlke 2004, 41, 94.
Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
- Titel
- Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
- Autoren
- Christine Neugebauer-Maresch
- Eva Lenneis
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-7598-8
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 406
- Schlagwörter
- Neolithic, LBK, cemetery, archaeology, prehistory, Kleinhadersdorf, Lower Austria, Neolithikum, Linearbandkeramik, Archäologie, Urgeschichte, Gräberfeld, Kleinhadersdorf, Niederösterreich
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen