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Auswertung 139
oder linken Bein getragen haben, da ein entsprechendes
Fragment eines halben Reifens zwischen den Beinen gefun-
den wurde (Grab 1c – Tafel 1 und 4).
Zusammenfassend lässt sich Folgendes feststellen:
Die geringe Anzahl von nur 18 Gräbern mit Körperschmuck
in situ ist für eine statistische Auswertung zu klein und er-
schwert die Evaluierung der eben beschriebenen Befunde.
So dürfte das Fehlen mancher sonst aus LBK-Gräbern be-
kannten Schmuckelemente und Trachtbestandteile auf diese
kleine Zahl zurückzuführen sein.
Kopfschmuck ist aus Kleinhadersdorf nur für zwei
Kleinkinder belegt, während dieser in anderen Gräberfel-
dern ebenso für Frauen, Männer und Juvenile nachgewiesen
ist. Insbesondere die sehr seltenen kleinen Schmuckschne-
cken (nur in etwa 1,6
% aller LBK-Bestattungen), die wohl
ein Häubchen des Kleinstkindes von Grab Verf. 26 zierten,
finden sich in anderen Gräberfeldern immer weitaus am
häufigsten im Kopfbereich. Mehr als 46
% derartigen Kopf-
schmucks ist für Frauen, über 33 % für Männer und nur
20
% für Kinder und Jugendliche nachgewiesen302. Der aus-
schließliche Nachweis bei einem Kleinkind in Kleinhaders-
dorf ist daher höchst ungewöhnlich.
Der häufigste Halsschmuck in der LBK ist jener von
Ketten aus Spondylusperlen verschiedener Form, wobei
z.
B. bei den bayerischen LBK-Gräbern303 und auch im na-
hen Vedrovice in Mähren304 die einzelnen Ketten zum
Großteil aus mehr als zehn Perlen bestehen und vielfach
zusammen mit Protularöhren, Steinperlen oder gelochten
Schneckenschalen recht üppige Kolliers bilden. Im Ver-
gleich dazu wirken die beiden einzigen Ketten aus Kleinha-
dersdorf mit fünf bzw. sieben Spondylusperlen recht be-
scheiden, nur der Halsschmuck aus Protularöhren besteht
aus 13 Perlen.
In zwei Gräbern von Kleinhadersdorf ist jeweils noch
eine einzelne Spondylusperle am Hals belegt, womit vier
Gräber oder knapp über 7
% der Bestatteten einen Spondy-
lushalsschmuck aufweisen. Diese Frequenz liegt gering-
fügig über dem Durchschnitt der oben genannten Gräber-
felder von etwas über 6 %, aber die Auswahl der so aus-
gezeichneten Personen ist wieder ungewöhnlich. Während
in Vedrovice und anderen LBK-Gräberfeldern in erster
Linie reich ausgestattete Männer, weniger Kinder und noch
weniger Frauen Spondylusschmuck tragen305, weisen die
302. Lenneis 2010b, Abb.
3, Farbtafel 13.
303. Nieszery 1995, 186–188.
304. Podborský 2002a, 254 – „Perlen“ aufgrund eines Übersetzungs-
fehlers als „Korallen“ bezeichnet.
305. Podborský 2002a, 249 Graph 1a, b, 250 Taf. 4.
feldern wie Aiterhofen (Grab 90, 93, 117 und 158) und Seng-
kofen (Grab 9 und 24) dokumentiert296.
5.3.1.4 Arme und Beine
Die Lage eines Spondylusreifens in Relation zu dem Schädel
des etwa 3-jährigen Kleinkindes aus Grab 3 (Tafel 6), dessen
Hals auch eine Spondylusperle schmückte (siehe oben),
lässt vermuten, dass dieser Reifen ein Armschmuck war.
Leider wurde die Lage des Bruchstücks eines Oberarmkno-
chens (siehe Teil II Anthropologie) nicht dokumentiert,
weswegen diese Zuordnung etwas unsicher bleibt. Der
Ausgräber, J. Bayer, hielt den Reifen für einen „Muschelan-
hänger“. Dagegen spricht das Fehlen von Gebrauchsspuren,
wie sie durch das Tragen eines derartigen Objektes an einer
Schnur entstehen297.
In seiner Lage völlig eindeutig dokumentiert ist hinge-
gen ein gelochter Anhänger oder Knebel aus Muschelsub-
stanz am linken Ellbogen eines jungen erwachsenen Mannes
(Grab Verf. 81 – Tafel 50 und 51), der überdies reich ausge-
stattet war. Die Fundsituation dieses Stückes ist ungewöhn-
lich. Ähnliche bis weitgehend gleichartige Objekte finden
sich zumeist in der Beckengegend und werden als „Gürtel-
verschluss“ oder als „schmückende Gürtelanhänger“ ge-
deutet (siehe oben Grab 7). Nur vereinzelt wurden derartige
Knebel in Brusthöhe gefunden298. Die Position des Stückes
im Grab von Kleinhadersdorf macht eine Applikation an
der Kleidung des Mannes wahrscheinlich.
Ein etwas größerer, gelochter Geweihknebel fand sich
unterhalb des rechten Knies als Beinschmuck eines bereits
erwähnten reiferen Mannes, der auch Reste von Muschel-
schmuck im Beckenbereich aufwies (Grab Verf. 17 – Tafel
19: 17/4). Auch zu dieser Fundlage gibt es nur zwei Entspre-
chungen299, bei denen es sich allerdings um Stücke aus Spon-
dylus handelt. Nur in einem Fall lag der „Anhänger“ eben-
falls am rechten Knie eines maturen Mannes300, die weiteren
beiden Stücke fanden sich in der unmittelbaren Nähe der
Knie eines maturen Mannes301. Eine Interpretation des Ob-
jektes als Applikation auf der Kleidung liegt wie bei dem
oben besprochenen Stück (Grab Verf. 81) nahe.
Ebenfalls auf der Kleidung appliziert muss auch die
Spondylusperle aus Grab 1a, gewesen sein, die vor dem lin-
ken Knie des Mannes gefunden wurde (Tafel 1 und 2).
Nur eine Frau könnte einen Spondylusreifen am rechten
296. Nieszery 1995, Tafel 36, 43, 55, 69, 71.
297. Bonnardin 2009, 106–112.
298. Haack 2008, 121, Abb.
3.2.
299. Haack 2008, Abb.
3.2.
300. Richter 1969, 168.
301. Ondruš 2002, 29 Abb.
19.
Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
- Titel
- Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
- Autoren
- Christine Neugebauer-Maresch
- Eva Lenneis
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-7598-8
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 406
- Schlagwörter
- Neolithic, LBK, cemetery, archaeology, prehistory, Kleinhadersdorf, Lower Austria, Neolithikum, Linearbandkeramik, Archäologie, Urgeschichte, Gräberfeld, Kleinhadersdorf, Niederösterreich
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen