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SABINE BERGHAHN
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ein politisches Symbol des islamischen Fundamentalismus gesehen, das die Abgren-
zung zu Werten der westlichen Gesellschaft, wie individuelle Selbstbestimmung und
insbesondere Emanzipation der Frau, ausdrückt (BVerfG, 24. September 2003, […]).
Unerheblich ist dabei, wie die Klägerin das Tragen der Baskenmütze verstanden
wissen will und ob sie es als weltanschaulich-neutralen Kopfschmuck erachtet, der ihr
dazu dient, dem Gefühl des Nichtangezogenseins nach 18-jährigem Tragen des
islamischen Kopftuchs zu begegnen.
Alle denkbaren Möglichkeiten, wie das Tragen einer Baskenmütze nach der Art der
Klägerin verstanden werden kann, sind zu berücksichtigen, wenn es um die Be-
urteilung geht, ob das Verhalten geeignet ist, die Neutralität des Landes gegenüber
Schülerinnen und Schülern sowie Eltern oder den politischen, religiösen oder welt-
anschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören […]. Maßgeblich ist der
Empfängerhorizont. Dabei kommt es nicht auf die Sicht Einzelner an, die mög-
licherweise eine von weiteren Bevölkerungskreisen kaum geteilte Deutungsmög-
lichkeit vertreten, wohl aber auf eine Deutungsmöglichkeit, die einer nicht un-
erheblichen Zahl von Betrachtern nahe liegt. § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW stellt
dementsprechend insbesondere, wenn auch nicht ausschließlich, auf die Sicht der
Schüler und Eltern ab, einer Gruppe, die zahlenmäßig nicht zu vernachlässigen ist und
die durch das Band der allgemeinen Schulpflicht in einer engen Beziehung zum Staat
steht. Ob deren Sichtweise von der Mehrzahl der Bevölkerung geteilt wird, ist nicht
entscheidend (BVerwG, 24. Juni 2004, […])« (ArbG Düsseldorf v. 29.06.2007, Az.
12 Ca 175/07, Rn. 29 f).
Aus Berichten über Gerichtsverhandlungen in solchen Fällen, in denen es
auch um modifizierte Bindungsarten des Kopftuchs ging oder um das tür-
kische Vorbild in der ›subversiven‹ Handhabung, nämlich eine Perücke über
dem Kopftuch bzw. dem eigenen Haar zu tragen, wissen wir, dass die deut-
sche Justiz auch in den Surrogatfällen sehr konsequent ist: Richter oder Rich-
terinnen schlugen als einzige legale Ausweichmöglichkeit die kurze Echt-
haarperücke vor. Kurz, damit die Ohren und der Hals frei bleiben, und echtes
Haar, damit die Umwelt nicht die Absicht erkennt, dass eine Muslima hier ihr
Haar bedeckt und damit ihrem Glauben, oder was sie dafür hält, gehorcht.8
Vom Verbot Betroffene stellten fest, dass es offenkundig darauf ankomme,
dass die Muslima nicht als gläubige Person in der Position einer deutschen
Lehrerin erkennbar werden dürfe.9
8 VG Düsseldorf v. 05.06.2007, Az. 2 K 6225/06, Rn. 47.
9 Siehe die Darstellung von Brigitte Maryam Weiß: Hintergrund und aktueller
Stand: Das Kopftuchgesetz in NRW, abrufbar: http://www.isgg.de/Aktueller
StandKopftuchgesetzinNRW.pdf, 19.02.2009
Der Stoff, aus dem Konflikte sind
Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
- Titel
- Der Stoff, aus dem Konflikte sind
- Untertitel
- Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
- Autoren
- Sabine Berghahn
- Petra Rostock
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-89942-959-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 526
- Schlagwörter
- Religion, Migration, Geschlechterverhältnisse, Demokratie, Rechtssystem, Politik, Recht, Islam, Islamwissenschaft, Gender Studies, Soziologie, Democracy, Politics, Law, Islamic Studies, Sociology
- Kategorie
- Recht und Politik