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Der Stoff, aus dem Konflikte sind - Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Seite - 67 -
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DEUTSCHLANDS KONFRONTATIVER UMGANG MIT DEM KOPFTUCH DER LEHRERIN 67 sind und unter ihnen überwiegend Frauen aus bestimmten Herkunftsländern muslimischer Migranten. Benachteiligungen wegen des Kopftuchs sind also ein Musterbeispiel für intersektionelle bzw. mehrfache Diskriminierung (Holzleithner 2008). In Deutschland existiert erst seit August 2006 das Allgemeine Gleichbe- handlungsgesetz (AGG), welches die verspätete Umsetzung der Richtlinien der EG aus dem Jahre 2000 und der Geschlechterrichtlinien aus den Jahren 2002 und 2004 darstellt. Es bedurfte dreier Anläufe in drei Legislaturpe- rioden, bis man sich schließlich, unter der Drohung von Strafzahlungen in laufenden Vertragsverletzungsverfahren am EuGH, dazu durchrang, endlich ein Gesetz zu verabschieden, in dem nicht nur Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts (vorher die Paragraphen 611a ff BGB) sondern auch Be- nachteiligungen auf Grund der anderen Merkmale des Art. 13 EGV verboten wurden. Das deutsche AGG ist aber, obwohl schon die Richtlinien relativ milde formuliert sind, eine nach mehreren Abschwächungen zustande gekom- mene Fassung eines Antidiskriminierungsgesetzes. Auch die Implementation krankt noch an verschiedenen Umständen, z.B. mangelnden Ressourcen bei der Ausstattung von Kontrollinstitutionen wie der Zentralen Antidiskrimi- nierungsstelle und der Gründung entsprechender Landesstellen, an der feh- lenden Umsetzung der Verbandsklage, aber vor allem an einer fehlenden An- tidiskriminierungskultur, insbesondere wenn es um Fragen von Religion, Plu- ralität und Minderheiten geht. Es fehlt an der Gewöhnung an multikulturelle Berufswelten, da zumindest in den höher qualifizierten und besser bezahlten Positionen relativ viele Beschäftigte von relativ homogener ethnischer, aber auch sozialer Herkunft unter sich sind, und bekanntlich ja auch Frauen arge Schwierigkeiten haben, in Führungspositionen vorzudringen. Insofern dürfte es kein Zufall sein, dass in Deutschland das Kopftuch der Lehrerin so um- stritten ist, da diese in der Regel Beamtin ist und das Beamtentum von kon- servativen Kräften in ganz besonderer Weise vor dem Eindringen allzu plu- ralistischer Elemente bewahrt zu werden pflegt. Wie aber sieht es nun mit der Vereinbarkeit solcher ›Kopftuchverbotsge- setze‹ mit dem europäischen Richtlinienrecht und den nationalen Benach- teiligungsverboten gemäß AGG aus? Gemäß einem Gutachten von Christian Walter und Antje Ungern-Sternberg, die am Beispiel der nordrhein-westfä- lischen Regelung im Schulgesetz deren Vereinbarkeit mit dem AGG und den europäischen Richtlinien überprüft haben, ist das »Bekundungsverbot« (Wal- ter/Ungern-Sternberg 2008a: 882) des eigenen religiösen Bekenntnisses eine unmittelbare Diskriminierung gemäß § 3 Abs. 1 AGG »wegen der Religion«. Unmittelbare Benachteiligungen sind schwerer zu rechtfertigen als mittelbare, so dass ein strenger Maßstab für die Prüfung gilt, ob die in § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW genannten Gründe (Neutralität des Landes und Schulfrieden) ein solches Kopftuch- und damit religiöses Kundgabeverbot legitimieren.
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Der Stoff, aus dem Konflikte sind Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Titel
Der Stoff, aus dem Konflikte sind
Untertitel
Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Autoren
Sabine Berghahn
Petra Rostock
Verlag
transcript Verlag
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-89942-959-6
Abmessungen
14.7 x 22.4 cm
Seiten
526
Schlagwörter
Religion, Migration, Geschlechterverhältnisse, Demokratie, Rechtssystem, Politik, Recht, Islam, Islamwissenschaft, Gender Studies, Soziologie, Democracy, Politics, Law, Islamic Studies, Sociology
Kategorie
Recht und Politik
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