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SELIGE MUSLIMINNEN ODER MARGINALISIERTE MIGRANTINNEN?
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teren knüpfen sich besondere Rechte an diesen Status, die wie viele Aspekte
der Kirche-Staat-Beziehungen hauptsächlich von dem jeweiligen Bundesland
gewährleistet werden (ebd.). Zur Festlegung der besonderen Kooperation zwi-
schen dem Staat, den Bundesländern und den großen Kirchen und Religions-
gemeinschaften, die ›Körperschaften öffentlichen Rechts‹ sind, werden
›Staatskirchenverträge‹ geschlossen. Bislang hat in der Bundesrepublik
Deutschland jedoch noch keine der muslimischen Organisationen den Status
einer ›Körperschaft öffentlichen Rechts‹ erlangen können (siehe auch Berg-
hahn in diesem Band). Die ›Staatskirchenverträge‹ der Kirchen in Deutsch-
land regeln so unter anderem die Gewährleistung und Ausgestaltung des Reli-
gionsunterrichts an öffentlichen Schulen oder die Mitwirkung des Staats bei
der Bischofsbestellung (Robbers 1995: 63). Religion ist in den meisten
Bundesländern Deutschlands ordentliches Lehrfach; anerkannte Religionsge-
meinschaften bestimmen nach Art. 7 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) im
Wesentlichen darüber, wie er erteilt wird, allerdings in Absprache bzw. unter
Aufsicht des jeweiligen Bundeslands.
Ähnlich wie in Deutschland bedeutet der Status einer anerkannten öffent-
lichen Körperschaft in Österreich, dass den Religionsgemeinschaften abge-
sehen von verschiedenen Steuerbefreiungen und -vergünstigungen (Kalb et al.
2003: 434 ff), die alleinige Organisation und Verwaltung von ›inneren An-
gelegenheiten‹ zugestanden wird (Potz 1995: 262). Neben den üblichen in-
neren Angelegenheiten einer anerkannten Assoziation, wie die Erstellung der
Verfassung oder die Vermögensverwaltung, wird in Österreich auch die Lehr-
amtsbeauftragung als eine ›innere Angelegenheit‹ angesehen (Kalb et al.
2003: 68). Das bedeutet, dass die Leitung, die Besorgung sowie die Beauf-
sichtigung des jeweiligen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen in der
Verantwortung der entsprechenden Religionsgemeinschaft liegen (Potz 1995:
265). Der Staat hat lediglich das Recht, »durch seine Schulaufsichtsorgane
den Religionsunterricht in organisatorischer und schuldisziplinärer Hinsicht
zu beaufsichtigen« (ebd.). Auch die Erstellung der Lehrpläne für den Reli-
gionsunterricht obliegt nur der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Für die An-
stellung von Religionslehrerinnen bzw. -lehrern an öffentlichen Schulen ist
auch hier die Genehmigung der Religionsgemeinschaft einzuholen; sie kön-
nen auch von derselbigen bestellt werden (ebd.). So ist die IGGiÖ seit 1982
für die Organisation des islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen
Schulen sowie die Bestellung und Ausbildung des Lehrpersonals verantwort-
lich (ebd.). Außer diesen Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich der öffent-
lichen Ausbildung gewährt der Status einer anerkannten Religionsgemein-
schaft ebenso die Involviertheit in den Bereichen der Seelsorge in Haftan-
stalten und Spitälern, der staatlichen Medien sowie im Begutachtungsrecht für
staatliche Gesetzgebungen (Strobl 1997: 40; Sticker 2006: 55 f).
Der Stoff, aus dem Konflikte sind
Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
- Titel
- Der Stoff, aus dem Konflikte sind
- Untertitel
- Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
- Autoren
- Sabine Berghahn
- Petra Rostock
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-89942-959-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 526
- Schlagwörter
- Religion, Migration, Geschlechterverhältnisse, Demokratie, Rechtssystem, Politik, Recht, Islam, Islamwissenschaft, Gender Studies, Soziologie, Democracy, Politics, Law, Islamic Studies, Sociology
- Kategorie
- Recht und Politik