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DAS KOPFTUCH IN DER SCHWEIZ
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›Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann‹ (1995) sowie das
›Gesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Be-
hinderungen‹ (2002); beide Gesetze sollen Diskriminierungen punktuell auch
dann verhindern bzw. beenden, wenn sie von Privaten ausgehen. Ein allge-
meines Gleichbehandlungsgesetz, welches Maßnahmen zur Beseitigung von
Diskriminierungen auch auf Grund der Rasse, der Religion oder der sexuellen
Orientierung umschreiben, entsprechende Lücken im Privatrecht schließen
und die positiven Pflichten des Staates in diesem Bereich festlegen würde,
gibt es bisher nicht.10
Religiöse bzw. konfessionelle Neutralität des Staates
Aus Art. 15 BV wird der Grundsatz der religiösen Neutralität des Staates
abgeleitet, welcher individuell gerichtlich durchgesetzt werden kann.11 Dies
bedeutet, dass der Staat in seiner Rechtsordnung neutral auftritt. Das Neu-
tralitätserfordernis ist aber nicht absolut. Das BG hat dazu präzisiert,12 dass
der Sinn der Neutralität nicht darin bestehe,
»in der Staatstätigkeit jedes religiöse oder metaphysische Moment auszuschliessen;
eine antireligiöse Haltung, wie ein kämpferischer, sogar irreligiöser Laizismus, ist
ebenso wenig neutral. Die Neutralität bezweckt, dass alle in einer pluralistischen Ge-
sellschaft bestehenden Überzeugungen unparteiisch berücksichtig werden. […]
Schliesslich besteht der Laizismus des Staates in einer Neutralitätspflicht, die ihm
auferlegt, sich bei den öffentlichen Handlungen jeder konfessionellen oder religiösen
Erwägung zu enthalten, welche die Freiheit der Rechtsunterworfenen in einer
pluralistischen Gesellschaft gefährden könnte […]. In diesem Sinne bezweckt sie, die
dert oder daran teilnimmt, wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden,
Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen
wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde ver-
stossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe
Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich
verharmlost oder zu rechtfertigen sucht; wer eine von ihm angebotene Leistung,
die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Per-
sonen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion verweigert, wird mit Freiheits-
strafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft«; siehe dazu auch Niggli 2007:
400 ff.
10 Nationalrat Paul Rechsteiner hat am 23.03.2007 eine parlamentarische Initiative
zur Schaffung eines solchen Gesetzes eingereicht; siehe Parlamentarische Initia-
tive Nr. 07.422.
11 So ausdrücklich BGE v. 14.02.1992, BGE 118 Ia 46, 53; BGE v. 26.09.1990,
BGE 116 Ia 252, 257; BGE v. 13.11.1987, BGE 113 Ia 304, 307.
12 BGE v. 12.11.1997, BGE 123 I 296; deutsche Übersetzung in: Praxis des Bun-
des-gerichts 4 (1998), 307 ff; zur Neutralität siehe auch BGE v. 21.06.1999,
BGE 125 I 347 ff.
Der Stoff, aus dem Konflikte sind
Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
- Titel
- Der Stoff, aus dem Konflikte sind
- Untertitel
- Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
- Autoren
- Sabine Berghahn
- Petra Rostock
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-89942-959-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 526
- Schlagwörter
- Religion, Migration, Geschlechterverhältnisse, Demokratie, Rechtssystem, Politik, Recht, Islam, Islamwissenschaft, Gender Studies, Soziologie, Democracy, Politics, Law, Islamic Studies, Sociology
- Kategorie
- Recht und Politik