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Der Stoff, aus dem Konflikte sind - Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Seite - 317 -
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DAS ISLAMISCHE KOPFTUCH, ›BAYERN MÜNCHEN‹ UND DIE GERECHTIGKEIT 317 würde die negative und positive Religionsfreiheit der Schüler und ihrer Eltern verletzen.3 Vor den Fachgerichten – vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Stuttgart bis hinauf zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) – bekam das Land ge- gen die Beschwerdeführerin Ludin recht. Tenor der Urteile: Das Kopftuch sei ein auffälliges Symbol, das Schüler auch dann religiös verunsichern könnte, wenn es nicht in missionarischer Absicht getragen werde. Kein Gericht hat Frau Ludin eine solche Absicht unterstellt. Jedes hat sich auf die ›objektive Wirkung‹ des Kopftuchs berufen. Ein für religiöse und auch politische Ausle- gungen offenes Kleidungsstück, getragen von einer Autoritätsperson, der Schüler nicht ausweichen können, sei nach aller Lebenserfahrung geeignet, Konflikte in die Klassenzimmer und in das Verhältnis zwischen Lehrerin und Eltern zu tragen. Frau Ludin wandte sich daraufhin an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Dessen zweiter Senat befand mit fünf gegen drei Stimmen, das Land Baden-Württemberg dürfe Frau Ludin nicht ohne gesetzliche Grundlage vom Schuldienst ausschließen.4 Eine solche Grundlage bestand zum Zeitpunkt des höchstrichterlichen Urteils nicht. Daher hätte nur eine konkrete Gefahr, etwa für den Schulfrieden, einen Ausschluss der Bewerberin durch das Ober- schulamt rechtfertigen können. Die ›objektive Wirkung‹ des Kopftuchs hin- gegen stelle eine nur abstrakte Gefahr dar. Sie rechtfertige keinen Ausschluss, der nicht explizit gesetzlich vorgesehen sei. Schließlich sei mit der Glaubens- freiheit der Bewerberin ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht berührt. Das Gericht gab damit auch dem Argument der Klägerin recht, seine eigene frühere ›Kruzifix-Entscheidung‹5 sei auf ihren Fall nicht anwendbar: Während damals eine staatliche Einrichtung verfügt habe, religiöse Symbole anzu- bringen, bringe jetzt eine Grundrechtsträgerin ihre persönliche religiöse Über- zeugung zum Ausdruck. Das BVerfG stützte sein Urteil auf den Grundsatz der ›offenen Neutra- lität‹: Die Bundesrepublik, heißt das, ist ein säkularer, aber kein laizistischer Staat. Sie respektiert die Glaubensfreiheit nicht nur, sie fördert sie auch. Der Staat darf sich nicht mit einer Glaubensgemeinschaft oder religiösen Über- zeugung gemein machen, aber er muss religiösem Leben Raum geben, auch wenn es öffentlich in Erscheinung treten will. Das BVerfG urteilte darum, dass Bekleidungsvorschriften im öffentlichen Dienst, die religiöse Ausdrucks- 3 Die ›negative‹ Religionsfreiheit ist die Freiheit von staatlicher Einmischung und Zwang in Religionsfragen; die ›positive‹ Religionsfreiheit ist die Freiheit zur Lebensführung in Einklang mit religiösen Überzeugungen. In ›Kopftuchfällen‹ betrifft das vor allem die Freiheit der Eltern, ihre Kinder religiös zu erziehen. 4 BVerfG v. 24.09.2003, Az. 2 BvR 1436/021, BVerfGE 108, 282 ff. 5 BVerfG v. 16.05.1995, Az. 1 BvR 1087/91,BVerfGE 93, 1, 23.
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Der Stoff, aus dem Konflikte sind Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Titel
Der Stoff, aus dem Konflikte sind
Untertitel
Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Autoren
Sabine Berghahn
Petra Rostock
Verlag
transcript Verlag
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-89942-959-6
Abmessungen
14.7 x 22.4 cm
Seiten
526
Schlagwörter
Religion, Migration, Geschlechterverhältnisse, Demokratie, Rechtssystem, Politik, Recht, Islam, Islamwissenschaft, Gender Studies, Soziologie, Democracy, Politics, Law, Islamic Studies, Sociology
Kategorie
Recht und Politik
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