Seite - 46 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
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Nach diesen Verheerungen und Niederlagen wurde die Etelközer Niederlassung,
welche ohnedies nach der Seite der weit zahlreicheren und stärkeren Petschenegen hin nur
durch leicht übersetzbare Flüsse schwach geschützt war, für die Zukunft unhaltbar. Ärpäd
und seine Magyaren brachen daher sammt Familien, Vorräthen, Gestüten und Heerden
auf, um jenseits der Karpathen, an den Ufern der Donau und Theiß sich eine sicherere
Heimat zu erobern. Sie drangen durch den Vereezkeer Paß über die Karpathen und
schlugen, das Latorezathal hinabziehend, ihr Lager zuerst bei Muukäcs auf, von dessen
Höhe aus die kühneu Steppeusöhue mit unaussprechlicher Freude die schier unübersehbare,
mit fetten Weiden gesegnete ungarische Tiefebene überschauen konnten.
Wann die Auswanderung der ungarischen Nation aus der Urheimat vor sich ging,
ob dies, wie der „anonyme Notarius" des Königs Bela behauptet, im Jahre 884 geschah,
wann die Ungarn Lebedien und hierauf Etelköz besetzten, in welchem Jahre der ungarisch-
bulgarische Krieg geführt wurde und infolge dessen die Besitzergreifung des heutigen
Ungarns eintrat — dies Alles läßt sich weder aus den einheimischen, noch aus deu
byzantinischen, westeuropäischen oder russischen Quellen mit Sicherheit feststellen. Nur das
Eine ist gewiß, daß die Besitznahme weder vor dem Jahre 889, noch nach 896 erfolgte.
Im Zeitalter der Besitzergreifung wurde das heutige Ungarn, der Sitz des einstigen
riesigen Hunnen- uud des durch Karl den Großen zerstörten Avarenreiches von einer
nur dünngesäten Bevölkerung bewohnt. Der größte Theil derselben bestand aus Slaven,
die jenseits der Donau und in einzelnen Thälern des Hochlandes, vermischt mit den
unterdrückten kümmerlichen Resten der Avareu, mit den deutschen Ansiedlern an der
Westgrenze und mit den bulgarischen Colouieu au der unteren Donau, unter kleinen
Häuptlingen zerstreut lebten. Jenseits der Save und Kulpa hausteu kroatische Stämme,
welche im VI. Jahrhundert von den Nordabhängen der Karpathen bis an die adriatische
Meeresküste herabgedrnngen waren. Ein einigermaßen geordnetes Staatsleben hatte sich
auf diesen Gefilden nur in dem unter deutscher Oberhoheit stehenden Großmähren
entwickelt, welches den Westtheil unseres Hochlandes in sich begriff und auch auf die
Lande jenseits der Donau sich erstreckte.
Die endliche Vernichtung dieses Slavenreiches, dessen Fürst Svatoplnk, vom
Streben nach Unabhängigkeit geleitet, gerade zur Zeit der Landeseinnahme einen
erbitterten Kampf gegen das deutsche Reich führte, konnte nur eine Frage der Zeit sein,
nachdem die Deutschen vom Westen, die Ungarn östlich von ihren Wohnsitzen in der
Theißebene aus einen fortwährenden Druck ausübten. In der That fiel Großmähren
noch zu Lebzeiten Ärpäds unter den Schlägen zusammen, welche die nach Westen
vordringenden Ungarn gegen dasselbe führten. Nach dem Jahre 906 wird kanm mehr
der Name Großmährens erwähnt.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Band
- 5
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 22.5 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch