Seite - 144 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
Bild der Seite - 144 -
Text der Seite - 144 -
144
abhängig, dem, wenn der Mannesstamm der Familie ausstirbt, das Adelsgut anheimfällt.
Der König ist zugleich der Richter des Adels.
Diese verständige Gestaltung der Gesellschaft gab ihr mehr Freiheit, dem König eine
größere Macht, als dies bei dein strengen Feudalsystem Westeuropas der Fall war.
Sodauu zog die königliche Macht die größeren Gruudadel igeu in deu Kreis des
glänzenden Hofes nnd der dynastischen Interessen nnd regierte den Staat „mit dem Rathe
der kirchlichen und weltlichen Großen". Der kleinere Adel, der zum Schutze seiner
Interessen bereits im XIII. Jahrhundert sich in den Comitaten zusammenzuschließen begann,
gelangte unter den Anjous uur selten zu einer höheren politischen Rolle. Unter den
schwachen Regierungen jedoch, welche nach dem Erlöschen dieser Dynastie folgten, begann
der Kleinadel plötzlich den gewaltsamen Großen gegenüber Front zn machen. Im
Jahre 1405 wurde zu deu Gesetze» des Landtages auch schon die Zustimmung des
Comitatsadels verlangt.
Auf solcher Gestaltung beruhte uuter deu Aujous die Landesvertheidigung,
welche unter Sigmnnd gesetzlich eudgiltig orgauisirt wurde. Der König, die adeligen Groß-
grundbesitzer sowie die großen Hof-, bald Landesoberbeamten stellten eine selbständige
größere Streitmacht: das Banderinm; der Kleinadel stellte innerhalb der Comitate je nach
der Anzahl seiner Bauernsessionen kleinere Abtheilungen, die sogenannte Portenmiliz
(portkl — Hof, Gehöfte) zusammen, und in Zeiten großer Gefahr griffen alle Edelleute
zu den Waffen.
Endlich brachte es die zuuehmeude Wohlhabenheit am Anfange des XV. Jahr-
hunderts mit sich, daß auch die Korporationen der Gewerbe- und Handelsclassen, daß die
S tädte ihre staatsrechtliche Stellung errangen. Die Hauptprincipien ihrer Geld- und
Blutsteuerpflichten gegen den Staat, sowie die Vorschriften der Handelspraxis wurden
festgestellt. Indeß blieben die Städte, durch verschiedene ausländische Institutionen dem
inneren Leben der Nation entfremdet, ohne eingreifenden Einfluß auf die öffentlichen
Zustände.
Mit dem Tode Albrechts, des Nachfolgers Sigmuuds, wird die Gesellschaft zwar
abermals durch Thronfolgestreitigkeiten bennrnhigt, jedoch wird die Entwicklung dadurch
nicht gehindert. Die materielle Bereicherung nimmt in deu Kreisen des Gemeinadels
fortwährend zu. Unter Matthias ziehen der königliche Hof, der seine Strahlen über ganz
Europa wirft, der Staat mit seinen verzehnfachten Einwohnern, welche die Wehrpflicht
des Adels ersetzen, endlich das besoldete stehende königliche Heer ihre Kräfte aus der
reicher gewordenen Gesellschaft. Es treten die zahlreichen Erfindungen hinzn, wie die des
Schießpulvers, welche der Kriegführung neues Leben einhauchen, sowie die eroberungs-
fähige Bildung uud der weltliche Geist Italiens, das aus dem altclassischen Wesen neue
zurück zum
Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Band
- 5
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 22.5 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch