Seite - 164 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
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Die Türkenherrschaft und die Reformation.
Mit der Einnahme von Szigetvär schloß der Türke seine großen Eroberungen ab,
welche etwa zwei Fünftel des heutigen Gebietes der heiligen ungarischen Krone seiner Macht
überlieferten. Östlich von Temesvär begann die Grenzlinie, welche im großen Ganzen von
Gynla und Szolnok nordwärts über Hatvau nach Fülek, von dort südwestlich bis zur Donau
und Gran, sodann von Gran westlich gegen Süden über Stuhlweißenburg hinaus längs
des Plattensees, Kanizsa, Kopreinitz, Kreuz, Sissek westlich lassend, bis au das adriatische
Meer sich zog, so daß die Likka schon ganz in türkischer Botmäßigkeit war. Das ganze
Gebiet zerfiel in zwei Paschaliks: in das Ofener und Temesvärer und in 15 Sandschaks.
In den von ihnen besetzten Gebieten vernichteten die Türken das alte Ungarn
vollständig, nicht nur politisch, sondern auch social. Sie duldeten auf ihrem Gebiete keinen
anderen Grundherrn als sich selbst. „Die Bisthümer, Domcapitel, Abteien und weltlichen
Grundherren zogen aus", und so gerietheu die Zay und Dessewssy aus dem heutigen
Slavonien, die vielen Familien Namens Horvath („Kroate") aus Kroatien in die oberen
Comitate, in die Karpathenthäler und an die österreichische Grenze. „Nur die armen
Bauern und solche Edelleute blieben zurück, die selbst die Pflugschar führten. Das waffen-
tragende Volk wanderte zum größten Theile aus und nur Ackerknechte und Hirten
verblieben als türkische Unterthanen." Denn was auf der Balkanhalbinsel, was in
Bosnien sozusagen massenhaft geschah, daß die Bevölkerung den mohammedanischen Glauben
annahm, welcher den Besiegten dem Eroberer gleichstellte, geschah in Ungarn nur in den
seltensten Fällen. Kaum fand sich hier und da ein verkommener Mensch, der zum .pribelc-,
zum Verräther an seinem Glauben und an seinem Volke wurde; ein solcher wurde dann
von seinen früheren Glaubensgenossen mit Haß und Verachtung angesehen und, wenn man
seiner habhaft werden konnte — ähnlich wie die Türken mit ihren eigenen Überläufern
verfuhren — lebendig gepfählt. Ja selbst in politischer Beziehung fiel der ungarische
„Rajah", namentlich in den Grenzbezirken, nicht vollständig von dem Mutterlande ab.
Manches eroberte Comitat wurde mit eiuem anderen verschmolzen, wie z. B. das
Esongräder mit dem Borsoder, das Somogyer mit dem Zalader, und existirte wenigstens
im Namen fort. In anderen Fällen blieben die Comitate bestehen, wenngleich, wie es
z. B. mit dem Pester Comitate der Fall war, kein Fußbreit Erde mehr unabhängig von den
Türken war. Die auf ungarisches Gebiet geslüchteten Edelleute des Eomitats hielten auf
ungarischem Boden Versammlungen ab, ertheilten Befehle und administrirten. Und die
Unterthanen nahmen den Schutz der Türken gegen die ungarischen Grundherren durchaus
nicht in Anspruch, sondern gehorchten, zahlten und trugen ihren bescheidenen Mitteln
gemäß opferfreudig zu den Bedürfnissen der Nation bei.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Band
- 5
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 22.5 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch