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Den eigentlichen Kern der Nation bildete der Adel, von welchem die Magnaten
nur eine angesehenere, äußerlich mehr ausgezeichnete, aber in Bezug auf die wesentlichen
Rechte nicht verschiedene Classe bildeten. In den Comitaten, in welche der größte Theil
des Landes eingetheilt war, genoß die Universität („Gesammtheit") der dort angesiedelten
Prälaten, Magnaten und Edelleute eine wahrhafte Autonomie. In ihren Händen lag der
größte Theil der staatlichen Regierung, Verwaltung und Justizpflege. Praxis und Zwang
der Umstände, sowie hier und da ein Gesetz hatten schon die Organisation des Comitats
festgestellt. Zu der Zeit Karls III. wurde diese Einrichtung nur gleichförmiger gestaltet. An
der Spitze des Comitats stand nominell der Obergespan, der laut des Gesetzes auf dem
Gebiete des Comitats domieiliren sollte, doch selten zu Hause gefunden wurde. Seine
Hauptaufgabe war die Leitung der Beamtenrestauration (Neuwahl), welche nunmehr
durch das Gesetz unabänderlich auf je drei Jahre festgesetzt wurde. Das Comitat wurde
in Wirklichkeit durch den Vicegefpan regiert, ihm waren die Stuhlrichter mit je einem
Richtercollegen, dem Geschworenen („Jurafsor" aus ,juralus assessor"), in größerer
oder geringerer Zahl je nach Ausdehnung uud Bedarf des Comitats untergeben. Das
Gesetz bestimmte, daß man sie aus den Reihen des begüterten Adels wähle und daß sie
in keiner Abhängigkeit von irgend einem Grundherrn des Comitates stehen sollten.
Den Vicegespäueu und Stuhlrichtern fiel auch eiu großer Theil der Rechtspflege
zu. Vicegefpan, Stuhlrichter und Jnrassor bildeten das Vieegespansgericht. Der Stuhl-
richter war Richter mit seinem Jnrassor als Beisitzer, und zwar wenn ihn die Parteien
wählten, im ganzen Gebiete des Comitates, nicht blos in seinem Bezirke. Das Comitat
hatte noch einen eigenen Gerichtsstuhl, die „Sedria" (aus „seäes ju<Iieiaria-), welche aus
berufenen Assessoren unter demVorsitze desVieegespans gebildet wurde, zeitweise zusammen-
trat und hauptsächlich in Strafsachen urtheilte. Die Gesammtheit des Comitates fungirte in
ihrer Totalität in den Comitatscongregationen. Ein Gesetz der karolinischen Regierungszeit
bestimmte, daß jeder Edelmann an diesen Versammlungen theilnehmen könne, daß ein
Protokoll geführt werden müsse und die Beschlüsse nicht durch Particularversammlnngen
nmgestvßen werden dürfen. Bezüglich der Abstimmung wurde die alte Einrichtung belassen,
welche auf dem Verböczy'schen Grundsatz beruhte: vow ponderantur, non numerantur
(„die Stimmen werden gewogen, nicht gezählt"), so daß nicht die Majorität, sondern die
pars pvtior et sanior entschied. Diesem Grundsatze gemäß, welcher während des ganzen
Jahrhunderts in Geltung blieb und nur in der neueren Zeit eine Änderung erfuhr, war die
Entscheidung bei den Herren und angeseheneren Elementen; die Masse, der Kleinadel (soweit
er erschien) hatte nur beizustimmen. Die meisten Einwohner des Landes, die Bauern, die
Hörigen, waren an die Scholle gefesselt, arm und besitzlos. Die meisten ihrer Angelegenheiten
wurden durch ihre Grundherr«.'» entweder unmittelbar oder mittels des „Herreustuhls"
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Band
- 5
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 22.5 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch