Seite - 248 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
Bild der Seite - 248 -
Text der Seite - 248 -
248
Josef II. und Leopold II. Neuere Zeit bis 1825.
Maria Theresia überlebte die Installation der Universität, die Ordnung des
Unterrichtswesens nicht lange. Sie regierte vierzig Jahre, solang wie Ludwig der Große,
und starb am 29. November 1780. Einen Tag vor ihrem Tode, als sie bereits von ihren
Kindern Abschied genommen hatte, ließ sie den ungarischen Hofkanzler Franz Eszterhäzy
zu sich rufen. „Eszterhäzy," sagte sie, „ich sterbe! Sagen Sie Ihrer Nation, daß ich mich
ihrer bis zu meinem letzten Augenblicke mit Dank erinnerte habe."
Maria Theresia befolgte in ihrer Regierungsweise eine modernere Richtung als ihr
Vater. Ihr Sohn Josef II. vertrat noch fortschrittlichere Ideen der Entwicklung des
XVIII. Jahrhunderts. Während die große Königin auf realer Basis stand und im
Staatsorganismus nur die Mittel zur Erreichung gewisser allgemeiner Ziele und zur
Förderung öffentlicher Interessen sah, war in den Augen Josefs II. im Geiste des
XVIII. Jahrhunderts der Staat Selbstzweck, die mächtigste, wohlthätigste Institution, von
der Alles abhing, der man Alles opfern mußte. Er selbst betrachtete sich nur als ersten
Diener des Staates, in Wirklichkeit aber war er sein Priester und Apostel, begeistert,
schwärmerisch, unduldsam, wie Apostel zu sein pflegen. Je mehr er überzeugt war, daß der
Staat mit einem guten Fürsten und guten Gesetzen allen Übeln abhelfen könne, wenn er
nur wolle, um so energischer war er bestrebt, Alles zu beseitigen, was nach seiner Auffassung
nur ein Überrest alten Aberglaubens und der Unwissenheit war und der neuen, glücklicheren
Entwicklung im Wege stand. Viele jener Schwierigkeiten, vor denen Maria Theresia
zurückgewichen war oder welche sie umging, griff er direet an und suchte sie aus dem Wege
zu räumen. Doch der Unterschied zwischen Mutter und Sohn bestand nicht allein in der
Methode. Es bestanden auch große principielle Differenzen zwischen ihnen, namentlich in
Betreff der kirchlichen, der religiösen Fragen. Maria Theresia war während der ganzen Zeit
ihres Lebens eine eifrige Katholikin gewesen, obgleich sie sich gegenüber der Kirche oft so
benahm wie Ludwig XIV. in seiner Jugend, der das Edict von Nantes aufhob, aber die
Thesen der gallicanifchen Kirche aufstellte; in vielen Fragen behauptete und hielt sie die
Machtvollkommenheit des Staates aufrecht. Auch Josef II. war nicht irreligiös wie sein
großer Zeitgenosse Friedrich II., doch war in seinem positiven Katholicismus ein gewisser
theistischer Zug nicht zu verkennen und er war erfüllt von den Ideen der französischen
Philosophie, in welcher die Gleichberechtigung und Freiheit der Religionen, sowie die
Unterordnung der Kirche unter den Staat sozusagen Cardinalsätze waren. Josef II. griff
sofort mit kühner Hand in den Organismus der katholischen Kirche ein, um das, was ihm
schädlich und verkehrt erschien und was von den Trägern der damaligen kirchenfeindlichen
geistigen Richtung Europas mit den grellsten Farben geschildert wurde, zu beseitigen. Er
zurück zum
Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Band
- 5
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 22.5 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch