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nahm die Erziehung der Geistlichen in die Hand. Er traf Verfügungen, welche sich ans
die inneren Details des Gottesdienstes und der Religionsübung bezogen. Er hob sehr viele
Mönchs- und Nonnenklöster auf, in Ungarn allein 140, behielt aber von dem confiseirten
Vermögen nichts für den Staat, sondern schlug Alles zu dem Religionsfond, dessen Grund
schon unter Ferdinand III. gelegt wurde — behufs Unterstützung armer Geistlicher und
Kirchen und Errichtung von zahlreichen Pfarreien; anderseits erließ er am 25.October 1781
das Toleranzedict, durch welches den protestantischen Bewohnern des Landes überall die
freie, wenn auch nicht ganz öffentliche Religionsübung zugesichert wurde. Denn was die
Boeskay, Bethleu, Räköczy im Verlaufe des XVII. Jahrhunderts erkämpft hatten, war
zumeist längst in Vergessenheit gerathen oder entsprach nicht mehr den veränderten Ver-
hältnissen. Seit der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts erhob sich der Katholicismus
auf politischem und socialem Gebiete zu einem entschiedenen Übergewichte, welches er
seine Gegner auch fühlen ließ. Zur Zeit Karls III. mußte sogar der König die Protestanten
in Schutz nehmen. Doch während die Regierung wenigstens den Buchstaben des Gesetzes
gegen die intoleranten Eompatrioteu wahrte, war sie doch, weil selbst aus Katholiken
zusammengesetzt, der Auffassung der Nichtkatholikeu iu der Auslegung des Gesetzes nicht
geneigt. Der öffentliche Gottesdienst wurde den Nichtadeligen nur an solchen Orten
gestattet, welche durch das Gesetz vom Jahre 1681, also aus einer Zeit, in welcher noch
fast die Hälfte des Landes den Türken unterworfen war, ausdrücklich bezeichnet erschienen.
So wurde unter häuslichem Gottesdienste nur das Beteu im häuslichen Kreise verstanden
und in Bezug auf die äußeren Verhältnisse wurden die Protestanten an den nicht
inarticnlirten Orten sogar als Mitglieder der katholischen Kirche betrachtet und wareu
verpflichtet, die katholischen Feiertage zu halten, bei Taufen, Trauungen und Begräbnissen
sich der katholischen Priester zu bedienen, oder wenn sie dies nicht thaten, zum mindesten
die Stolagebühren zu bezahlen. Unter Maria Theresia verschlimmerte sich dieser Zustand
der Dinge noch mehr. Die Königin und mit ihr die maßgebenden Kreise hielten es für
ihre Pflicht, Alles zu thun, was zur Verbreitung des Katholicismus auf Kosten des
Protestantismus beitragen konnte. Als Königin und als streng katholisch gesinnte Fran
arbeitete sie mit stärkeren oder gelinderen Mitteln, mit Verordnungen nnd Ehestistnngen,
deren Zweck darin bestand, protestantische Familien in den Schoß der katholischen Kirche
zurückzuführen. Josef II. betrachtete die Dinge aus einem ganz anderen Gesichtspunkte.
Er anerkannte principiell die Existenzberechtigung der akatholischeu Konfessionen und war
aufrichtig bemüht, die Confequeuzen dieser Grundsätze ins Leben treten zu lassen. Jedoch
mußte auch er mit den bestehenden Verhältnissen rechnen und stieß in vielen Einzelheiten
auf große Schwierigkeiten. In Debreczin wurde das Tolerauzpateut mit Dankbarkeit
anfgenommen, in dem nahen Großwardein aber, der bischöflichen Stadt, konnten die
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Band
- 5
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 22.5 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch