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Reformirten erst drei Jahre später ihren Gottesdienst im Hofe der Herren von Tisza
installiren.
Josef II. machte den Grundsätzen der Freiheit und Gleichheit noch eine zweite Con-
cession. Er sprach aus (am 22. August 1785), daß der Hörige nicht mehr an die Scholle
gebunden sei, sondern frei ziehen könne, wenn er wolle, und über seine bewegliche Habe
verfügen dürfe, wie es „das allgemeine Wohl und das Naturrecht erheischen", welches der
Staat anerkennen müsse.
In seiner abstracten Auffassung liebte es Josef, sich sein ganzes Reich als einheitlichen
Staat zu denken, und wollte es auch zu einem solchen verschmelzen. Bei der Durch-
führung seiner Pläne stieß er jedoch Schritt für Schritt auf die Schranken der ungarischen
Verfassung, dieses Product einer Jahrhunderte zurückreichenden Entwicklung, welches
freilich den Idealen des Kaisers sehr wenig entsprach. Er benahm sich demnach so, als ob
es gar keine ungarische Verfassung gäbe, uud that Alles, was nach seiner Auffassung im
Interesse der Völker und Staaten gut, zweckmäßig und nothwendig erschien, ob es nnn
gesetzlich war oder nicht. Schon im Jahre 1782 vereinigte er die ungarische und die sieben-
bürgische Hofkanzlei und fügte ihnen die ungarische Abtheilung der Wiener k. k. Hofkammer
hinzu, welche, wenn auch nicht in der Theorie, so doch factisch die oberste Kammerbehörde
des Landes war. Ebenso vereinigte er den Statthaltereirath und die ungarische Kammer und
verlegte beide von Preßburg nach Ofen, von wo er die Universität nach Pest verpflanzte.
Er hob die Autonomie der Comitate auf. Siebenbürgen wurde in drei, Ungarn mit
Kroatien und Slavonien in zehn Kreise eingetheilt, in welchen die Comitate und freien
Districte abgerundet, die kleinen mit den größeren verschmolzen wurden und nur niedere
Verwaltungsbezirke unter der Administration von staatlich ernannten Beamten bildeten.
Diesen neuen Comitaten unterstanden in administrativer Beziehung auch die königlichen
Freistädte, doch behielten sie ihre gewählten Beamten, ihre Gerichtsbarkeit, mit Aus-
nahme der Strafrechtspflege, und einige administrative Agenden. Die Comitate hingegen
verloren das Recht der Rechtspflege, welche von den königlichen Gerichten übernommen
wurde. Die alte Rolle der königlichen Tafel als Gerichtshof erster Instanz ging auf die
Districtualtafelu über. Die königliche Tafel selbst wurde zum Gerichtshofe zweiter, die
von Pest nach Ofen verlegte Septemviraltafel zum Appellationsgerichtshofe dritter Instanz.
Das Gerichtsverfahren wurde durch die österreichische Proceßordnung, das Strafrecht
durch den Criminalcodex der Erbländer geregelt, aus welch letzterem Josef II. die Todes-
strafe als iuhumau beseitigte. Als Verwaltuugs- und Gerichtssprache decretirte Josef die
deutsche Sprache an Stelle der todten lateinischen. Es war ein Hauptziel Josefs, Ungarn
auch unmittelbar zur Traguug der Lasten der Monarchie heranzuziehen, zu denen der
ungarische Adel bisher nur indirect in Folge von Ein- und Ausfuhrzöllen und dem künstlich
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Band
- 5
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 22.5 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch