Seite - 278 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
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Hauptobjecte die Theiß und ihre Nebenflüsse waren, und selbst der unscheinbare Gesetz-
entwurf über die Biuduug des Flugsandes hatten zur Folge, daß große Landesgebiete,
welche bis dahin unbenutzbare Sümpfe und Wüsten bildeten, dem Ackerbau zugänglich
gemacht wurden. Als ewige Andenken aus dieser Zeit verblieben uns der den Namen des
Königs Franz tragende Franzenskanal, dieBega- und Särviz-Kanäle, die groß angelegte
Theißregnlirnng. Eine ebenso wichtige Einrichtung war die Commassiruug der Felder,
wodurch die iu verschiedenen Gemarkungen zerstreuten Äcker der kleineren Grundbesitzer
vereinigt und die Weiden von zweifelhaftem oder negativem Erträgniß nach Verhältniß
dazngeschlagen wurden; eine neue erfolgreiche Wirthschaftsmethode wurde hierdurch im
Lande eingeführt und die Pußten der großen Städte des Tieflandes belebten sich infolge
dessen mit Wirthschaftshöfen. Wir können getrost behaupten, daß diese Epoche den Beginn
der zweiten, einer „moralischen Eroberung" des Landes bildete. Im Jahre 1847 wurde
die erste Locomotiveisenbahn von Pest nach Szolnok dem Verkehr übergeben, in Anwesenheit
des Palatins Stesan, der in demselben Jahre, nach dem Tode seines Vaters, durch das
Land zur Palatinswürde erhoben wurde. Zwei Jahre später wurde die erste Douau-
kettenbrücke, zwischen Ofen und Pest, deren Bevölkerung damals 120.000 Seelen zählte,
während sie jetzt einer halben Million sich nähert, dem allgemeinen Verkehr übergeben.
Die begonnene Reformarbeit wnrde endlich im Jahre 1848 durch den im vorher-
gegangenen Jahre zusammengetretenen Reichstag beendet, indem dieser, angespornt durch
die französische Februar-Revolution, mit einem Mal mit allen Überlieferungen der Ver-
gangenheit brach und, die Rechtsgleichheit aussprechend, auf Grund des Principes der
Volksfreiheit die ganze Nation neugestaltete, indem er das ganze Volk in den Umkreis der
Verfassung aufnahm, die Urbarialdienste und die Zehnten beseitigte uud die Grundherren
dafür entschädigte, die Adelsprivilegien aufhob, die Steuerzahlung und die militärische
Dienstpflicht auch auf den Adel ausdehnte, die Presse für frei erklärte und au Stelle
des alteu ständischen Reichstages die verantwortliche parlamentarische Regierung auf der
Basis des Repräsentativsystems setzte. Derselbe Reichstag vollzog auch die Uuiou Ungarns
mit Siebenbürgen, welches letztere stets eine gesonderte Regierung und Verfassung und
einen besonderen Landtag besaß, an dem die Deputirteu und Regalirten, vom König
berufene Notable, der drei Nationen „Ungarn, Sachsen und Szekler", theilnahmen. Auch
dieser Begriff hörte auf, uud hiermit war endlich das einige Ungarn geschafft». Nur diese
vollständige Umformung macht jene staunenswerthe Kraftentfaltung erklärlich, mit welcher
die Natiou in den auf die Umgestaltung folgenden Kämpfen die Welt überraschte. Der auf
den 5. Juli 1848 nach Budapest berufene Reichstag wnrde durch deu Palatin Stefan
schon ganz auf der ueueu Basis, auf der Grundlage der Volksvertretung, eröffnet und
das verantwortliche ungarische Ministerium nahm die Regierung des Landes in die Hand.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Band
- 5
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 22.5 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch