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gewöhnlichen Sinne des Wortes hat. Daß die beiden Sprachformen einander so sehr nahe
liegen, ist indessen blos allgemein zu verstehen, denn die größere grammatikalische Aus-
bildung und Regelmäßigkeit, wie auch Adel und Abwechslung des Ausdrucks siud, wie iu
anderen gebildeten Sprachen, so auch hier nur als die uaturuothweudigeu Eigenschaften
der verfeinerten literarischen Sprache anzusehen.
Ihrem Bau «ach steht die magyarische Sprache völlig auf der Stufe der aus-
gebildeten Reife und hat dadurch nicht nur als geistiges Band zwischen Ungar und Ungar,
sondern auch als höher gearteter Dolmetsch der Gedanken- und Gefühlswelt Anspruch auf
einen vornehmen Platz in der Reihe der gebildeten Sprachen. Sie befitzt zehn Redetheile,
wobei zu merkeu, daß die Präposition der arischen Sprachen hier durch eine „PostPosition"
ersetzt ist, die Präpositionen werden aber meistens durch entsprechende Suffixe ausgedrückt.
Die Unterscheidung der Wörter nach grammatikalischen Geschlechtern (Genera)
ist im Magyarischen gänzlich unbekannt; da aber eine solche dem magyarischen Gedanken-
gang vollkommen fremd ist, schädigt dies das System der Sprache nicht im geringsten,
und zwar um so weniger, als sie anderseits mit den Behelfen der Wortbildung und der
Wortbeuguug überreich ausgerüstet ist uud es daher in ihrer vollen Gewalt hat, auch die
feinsten Abtönungen der Begriffe aufs treffendste auszudrücken. Ihre Wortbildung
geschieht theils durch Lautveränderung, theils durch sogenannte Bildungssilben, theils
auch mit Hilfe von Wortzusammensetzung. Die wortbildende Kraft der Lautveränderung
hat sich mehr in der Vergangenheit geltend gemacht; heutigentags scheint sie selbst in der
Volkssprache aufgehört zu haben, daher denn auch Wortformen wie: ledeK, libe^, lobo^
(flittert, flattert, flackert) » renket, rinZat, ränZat (bringt ins Wanken, Schwanken, zerrt
daran) kövees, kavics (Steinchen, Kiesel) jj e?, a? (dies, das) >! itt, c>tt (da, dort) u. s. w.
mehr als akustische Erscheinungen denn als Thatsache» des Vokabulars betrachtet werden.
Desto beständiger und fruchtbarer ist das Leben innerhalb der beiden anderen Arten,
deren sprachentwickelnde und sprachbereichernde Kraft ins unberechenbare geht. Die
Bildungssi lben, über ein halbes Hundert an Zahl, gehören im allgemeinen zwei
größeren Gruppen an, deren eine zur Bildung von Nennwörtern (Nomina), die andere
zur Bildung von Zei twörtern (Verba) dient. Diese Gruppen sondern sich wieder in je
zwei Unterabtheilungen, welche einestheils aus Neuuwörteru Nennwörter und Zeitwörter,
anderntheils aber aus Zeitwörtern Zeitwörter und Nennwörter bilden. Gleich den
ursprünglichen Wurzel« und Stämmen können auch die Bildungswörter immer neuen
Wörtern als Stammwort dienen, so daß selbst die gewöhnlichsten Derivata (Ableitungs-
wörter) neben den Grundwörtern zu ganzen Reihen anwachsen. Auch die Wortzusammen-
setzung ist eine sehr reiche Quelle der Vermehrung für den magyarischen Wortschatz,
obgleich in dieser Hinsicht unsere Sprache weit enthaltsamer ist als z. B. die deutsche;
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Band
- 5
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 22.5 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch