Seite - 292 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
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Auch nach der Physiognomik ist es schwer, die Verwandtschaft zwischen der
magyarischen nnd anderen Raeen zu suchen. Zwar kann es eonstatirt werden, daß die
ovale (mehr znm Rundlichen, als zum Eckige» neigende) Form des Gesichtes, das Profil,
die hohe gewölbte Stirn, die gerade und nicht stark gebogene, aber auch nicht stumpfe Nase,
der regelmäßige Mnnd, das keinen Winkel bildende Gebiß, das runde Kinn dem
kaukasischen Typus entsprechen; auch ist zu constatiren, daß das urwüchsigste Magyaren
thnm, welches das Alsöld bewohnt, im allgemeinen vermöge des dichten schwarzen Haares,
Bartes und Schnnrrbartes, der brannrothen Gesichtsfarbe, der schmalen, schwarzen
Augenbrauen, der offen blickenden Adleraugen und der regelmäßigen Mnndbildnng sich
mehr dem persischen nnd tscherkessischen Typus als den nordeuropäischen Völkern nähert;
doch muß hinwiederum auch in Betracht gezogen werden, wie mannigfach bei dem
magyarischen Volke Haar, Gesichtsfarbe und Auge vom ursprünglichen Typus abweichen,
so daß der oberflächliche Beobachter leicht ans den irrigen Gedanken kommen kann, das
magyarische Volk sei ein Gemisch aus mehreren Raeen, welche durch die Feuerproben
der Jahrhunderte in eine verschmolzen worden seien; diese Annahme jedoch wird durch
den Szekler-Stamm widerlegt, welcher in einer Masse, in einem abgegrenzten Bezirke ein
Jahrtausend hindurch keinem Fremden die Niederlassung auf feinem Boden gestattete, in
seiner Sprache kaum ein fremdes Wort benützt und nicht gern eine fremde Sprache lernt,
und iu welchem bei aller Anklammerung an seine hunnische Abkunft blondes Haar und
blaue Augen ebenso heimisch sind wie auf der Insel Schütt nnd in der Somogy. Sogar
die Sprößlinge von Familien, welche ihren Ursprung bis zu den 108 Stämmen der ersten
Landesbesitznahme hinausführen, bieten augenscheinliche Beweise hiefür. Selbst die
Volkslieder sind voll damit:
„Hei, blonder Bursch, braunes Mädel, bist
Doch geblieben ungeküßt,"
„Falsch an Leib und Seele,
Ob ich Blond, ob Braun ich wähle."
„Sei der Stamm noch so berußt,
Nicht Blond, nur Braun ist meine Lust."
„Während ich die Braune herze,
Dort die B londe ich mir verscherze." „Frau Wirthin, und zünde mir an das Licht!
He, hast du keiu schlehängig Dirnlein nicht?"
„Um mich wär's noch schade — am Baum zu ver-
welken,
Mein Kraushaar, das gelbe — dem Wind hin-
zuwerfen.
Schau, ich winde dir ein Sträußchen:
Aus Thräueutropseu, Perleublümchen,
Mein gelbes Haar das Seideubändchen."
„Liebchens Augen siud blau, uicht schwarz,
Wollen schwarz sie färben lassen." (Szekler Volkslied.)
Die magyarische Raee muß schou bei ihrer Ansiedelung die Schattirnngen des
blonden nnd kastanienbraunen Haares und der blauen Angen mit sich gebracht haben.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Band
- 5
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 22.5 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch