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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
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300 Duldung, wobei auch iwch ein gut Theil Fatalismus i» Anschlag kommt. „Gott ist mehr werth als hnndert Pfaffen," lantet ein altes Sprichwort. Im Großen und in seiner ganzen Masse können wir den magyarischen Volkscharakter iu seinem Gemeindeleben studiren, bei der ernsten und klugen Beschäftigung mit öffentlichen Angelegenheiten. Überall gibt es einen „Weisen des Dorfes", auf dessen Rath das niedere Volk Hort, und einen „Mund des Dorfes", der im Namen des Volkes spricht. Bei den Rechenschaftsberichten von Abgeordneten, bei den Programinreden der Wahlen bekundet die Volksmenge in der Regel eine beobachtende Ruhe. Das magyarische Volk kriecht nicht, duckt nicht, aber es gibt Jedem seiue Ehre, besonders den Stndirten; es hört auf das Wort von Geistlichen, Obrigkeiten, beliebten Herren. Wie in seiner Gesammtheit, ist der Magyare auch als Einzelner derart beschaffen. Bei all seinem Ernst besitzt sein Gemüth auch viel Humor: wir werden denselben in den Anekdoten des magyarischen Volkes vorführen. Dem Possenreißer jedoch ist er abhold, der Hanswnrst geht ihm wider den Strich, seinem Antlitz paßt die Grimasse nicht. Ein eigenthümlicher Charakterzug der magyarischen Race ist bei alledem die Neignng zum Witz nnd Schabernack, welche bis in die mittleren Classen hinaufdringt. Einander mit treffenden Sticheleien zu kitzeln, einander zum Gegenstand des allgemeinen Gelächters zn machen, Abenteuer karikirt vorzutragen, Spottnamen zn geben und zurückzugeben — ist eine gewohnte Würze jeder geselligen Zusammenkunft. Und darüber böse zu werden, würde die schlimmste Gemüthsart beweisen. Das Beleidigtsein, Sichverwahren, Schiefnehmeu schlägt die Gesellschaft auseinander, vereinzelt den Grollenden. Dieser Hang zum Witze- macheu ist am meisten beim Szekler entwickelt, dann in der Gegend von Kecskemet und Körös; am wenigsten heimisch ist er in Debreezin, dort nimmt man Alles ernst, wie dies Franz Kazinezys „arkadischer" Proceß beweist.* Auch ganze Gegenden machen einander gern znm Gegenstand des Spottes. An dein einen Orte hat man „das Erdzeislein im Fluge geschossen", am anderen „die Leiter überquer durch den Wald getragen", noch anderwärts „die Weintrauben in der Kohlen- glut gebraten", bald wieder „die Taschenuhr für eiueu Tik-Tak-Teufel gehalten und todtgeschlagen", oder „auf dem Gewehr Flöte geblasen", oder „den Stier auf dem Thurm weiden lassen", oder „die Buchweizensaat durchschwömmen, weil man sie für das Meer hielt." Über dergleichen sind ganze Gedichte verfaßt. Die melancholische Färbung aber finden wir vor Allem im großen Stil uud als Grundlage bei der Vaterlandsliebe, welche sich bis zn einer, der Melancholie verwandten * Kazinczy hatte den Tebreczinern folgende Inschrift für Csokonais Grabstein empfohlen: „Auch ich habe in Arkadien gelebt." Und da die Geographie von Arkadien auch berichtet, es sei ein Land mit sehr starker Viehzucht, so entstand daraus unversöhnlicher Groll, ja ein literarischer Proceß (der „arkadische Proceß").
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
Titel
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Untertitel
Übersichtsband, Ungarn (1)
Band
5
Herausgeber
Erzherzog Rudolf
Verlag
k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
Ort
Wien
Datum
1888
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
16.41 x 22.5 cm
Seiten
532
Schlagwörter
Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
Kategorien
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