Seite - 338 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
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?a tvu r i s t a und ^uratus . Noch in den Vierziger-Jahren waren sie bekannte
Typen des öffentlichen Lebens in Ungarn. Der patvai-ista, ist Rechtspraktikant, irgendwo
in der Provinz, bei einem namhaften Advokaten oder Vieegespan, für den er Proceß-
acten eopirt und mnndirt. (.Xou vst Konus i»utvaiista, qui non est donus vukuiistu;
vakmni bedeutet kratzen, Fehler ansradiren.) Daneben führte er noch die Aufsicht über
den Keller, hatte die Gänse und Puter zu trauchiren, den Tabak zu schneiden, auf Haus-
bällen den Tanz zu arrangiren, den Principal zu den herrschaftlichen Gerichtssitzungen zu
begleiten, und bei alledem sollte er sich auch noch für die Censur vorbereiten. Der ^urutus
dagegen war schon eine cliAnitas, mit seinem vollen Titel: .Mi-atus tabulue re^iue
iioturius« (beeideter Notar der königlichen Tafel). Er trug schon Säbel, kuesma (Mütze),
Atillarock, enge Hosen, Quastenschuhe. Er mußte schon in Budapest, oder zur Reichstags-
zeit in Preßburg wohnen, bei einem Assessor der königlichen Tafel, beim königlichen
Personal oder wkularis lisealis „practiciren". Er hatte das Recht, als Znhörer in den
geschlossenen Sitzungen der Curie anwesend zu seiu. Sein Vorrecht war, zu admoniren, zu
inhibiren, zu evocireu und zu citireu, und sein Zeugniß besaß so viel Rechtskraft als das
des Stuhlrichters und seines Geschwornen zusammengenommen. Innerhalb eines Jahres
hatte er die Censur abzulegen, erhielt in seinem Diplom ein .praeelarum- oder
,lau<1adile« oder ,suklioiens" und zahlte dafür eiuen Dncaten. „Er hat seinen Dneaten
zurückbekommen", das bedeutete: er ist „rejicirt" (geworfen) worden. „Lukkiciens" war
ein schlechter Der königliche Personal Szerencsy tröstete einst einen jnngen
Advokaten wegen des bei der Censur erhaltene» „suklieiens" mit den Worten: „Mach'dir
nichts draus, Brüderchen, auch ich hab' ein sulliciens bekommen". Auf dem Reichstage
bildeten diese Personen die Galerie, außerhalb des Saales aber die öffentliche Meinung.
Dort bethätigten sie sich durch lauten Ansdrnck ihres Beifalls oder Mißfallens, hier dnrch
öffentliche Debatten und Katzenmusiken. Ehemals schrieben sie auch die Reichstagsberichte
und ersetzten die freie Presse. Mehrere ihrer Katzenmusiken sind berühmt geworden,
z. B. eine, die sie in Preßburg dem Oberststallmeister brachten, der es aber leugnete, mit
der Versicherung, gar nichts gehört zu haben. Eine andere große Katzenmusik in Budapest
bewog den Personal, eine große Inquisition gegen sie einzuleiten. Die vernommenen
Zuraten hatten sich jedoch als rechte Spaßvögel verabredet, auf die Frage nach dem
Veranstalter der Demonstration einstimmig einen hervorragenden Kirchenfürsten zu nennen,
so daß man die Untersuchung niederschlagen mußte. Zahllose Anekdoten sind über ihre
Streiche in Umlauf, und seinerzeit gab es ein sehr gangbares Lied, das beide Classen
zusammenfaßte:
„Ach, welch' schönes Wort, das Wort Jurist!
Ach, schon fühlt das Mädchen sich geküßt: Doch noch schöner ist das Wort Jnrat!
Tusch geblasen! Tusch! Und hoch! Vivat!"
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Band
- 5
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 22.5 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch