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und Ladislaus Arany, welche die obigen Gattungen durch frische Ernten bereicherten,
aber anch um nene Abarten, z. V. die Weihnachtsinysterien und Dreikönigsspiele, Marieu-
nnd Christussagen, die Tanzsprüche und Ammenreiine vermehrten; auch diese letztere
Sammlung beläuft sich auf drei starke Bände. Die gelehrten Antoren haben alle diese
Sammlungen dnrch werthvolle Abhandlungen erläutert, indem sie aus mehr als zwei-
tausend Beiträgen zur Volkspoesie nicht nur ein Bild zusammenstellen, welches das jetzige
magyarische Volksleben nach Sitten, Gemüthsart und Gedaukeugaug treu wiederspiegelt,
sondern auch uvch eine» Lichtschein gewinnen, der in die geschichtliche Vergangenheit zurück-
leuchtet. Alle diese Sammlungen, denen sich noch viele kleinere, aber in dieser oder jener
Hiusicht ebenfalls interessante anschließen, haben ohne Zweifel einen nnmittelbaren und,
man darf wohl sagen, heilsamen Einfluß auf die gesunde Entwicklung der magyarischen
Nativnalpoesie seit Petöfi, Arany und Tompa ausgeübt.
Wie in den Anekdoten, so spiegelt das magyarische Volksleben auch iu den Volks
liedern sein eigenstes Selbst wieder, so zwar, daß man in den Volksliedersammlungen
sogar die Epochen zu bezeichne» vermag, in denen die verschiedenen Lieder entstanden sind.
In den alten Liebesliedern herrscht Treue, Zartsiuu, souuige Leidenschaft, regenbogen-
farbene poetische Phantasie vor, wozu sich am Anfange dieses Jahrhunderts anch »och
schwärmerische Empfindsamkeit gesellt; die ans den letzten vierzig Jahren sind schon
weniger sittenstreng und weisen eine gewisse Leichtblütigst auf. Ehedem sang der treue
Liebhaber seiner Herzliebsten zu:
„Tag und Nacht, bei Sonn' und Kerze»,
Stehst genialt in meinem Herzen
Du mit gold'ner Färb' . .
Die nämliche Schmeichelei singt eine der beliebtesten alten Liedweisen:
(„Meine Mariska! meine Mariska!")
„Morgens, Mittags, bei des Abends Kerzen
Stehst nur du allein gemalt in meinem Herzen, Gottes bester Segen segne stets das Haupt dir,
Bistdn'sgleich, mein bluteudHerze die geraubt mir."
Und wieder ein anderes Lied an die Liebste lautet:
„Roje du, Rose du, j Silber, Gold Silber, Gold,
Tausendmal noch drüber, j Bist mir tausendmal lieber."
Welche poetische Verschwendung findet in den vier Zeilen statt:
„Bist nicht vom Mntterschoosze, — > Hast dich am rothen Psingsttag
Vom Rosenstock entsprossen, j Im Morgenroth erschlossen."
Wie vornehm ist der Ausdruck des Liedes:
„Wenn so deine Blicke gehen, I Wenn so deine Lippen lächeln,
Ist's wie Sterne blinken sehen, j Ist's wie Morgenröthesächeln."
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Band
- 5
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 22.5 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch