Seite - 369 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
Bild der Seite - 369 -
Text der Seite - 369 -
369
z. B. aus L-ckur in ^s-ckur. Die aus vier Tacten gebildeten Theile oder, besser gesagt,
musikalischen Zirkel sind zwölf an der Zahl, woraus gefolgert werden könnte, daß auch
der Tanz selbst aus solchen abgezirkelten Figuren bestanden habe, die eben solchen zwölf
musikalischen Perioden entsprachen. Wenn wir diese Musik hören, welche trotz ihrer bunten
Fignration durch die steife, eckige Harmonisirnng sozusagen eine gewisse Wildheit des
Ausdruckes gewinnt, ist es uns, als sähen wir die würdevollen Gestalten der alten Paläste
sich in ernsthaftem Tanze durcheinander bewegen, der nicht wohl aus Anderem bestehen
konnte, als aus wohlabgemesseuen, bis zu einer gewissen Entfernung oder in einem
gewissen Kreise hin und her wandelnden Schritten, einer strammen, ritterlichen Haltung
des Körpers und aus dem wiederholten Zusammenschlagen der Hacken oder Sporen bei den
Schlußtacten der musikalischen Schlüsse. Auf die Kenntniß dieser Musik gestützt, können
wir mit Sicherheit behaupten, daß das Volkslied, beziehungsweise der Volkstanz —
vielleicht die Eigenthümlichkeiten der Schlußtacte abgerechnet — gar nichts mit ihr zu
thun hatte und das Volk so wie später auch früher nicht nach ihr zu tanzen wußte. Diese
Passamezzi sind aber die Vorgänger jener (Palasttänze), welche am Anfang
dieses Jahrhunderts auch .verdunkvs« (Werbertänze) genannt und nur von den
oberen und mittleren Ständen getanzt wurden, schließlich aber in ein virtuoses Beinturnen
ausarteten.
Schon im Laufe des XVIII. Jahrhunderts finden wir die Palastmusik viel
geschmeidiger, melodiöser, ja nationaler. Außerdem hat sie sich auch formell stark verändert,
insofern sie statt der gewohnten acht und noch mehr kleinen Abschnitte des italienischen
passame??« nur aus einem Andante (schweigendes Lied), einem Werbertanz (todor?ü)
und einem Allegro bestand, wobei zu bemerken, daß Andante und Werbertanz durch die
freien phantasieartigen Läufe einer reich fignrirten kurzen oder langen Cadenz verbunden
wurden, welche man später auch ,tiAura« oder ,eikra« (Verzierung, Schnörkel) nannte.
Im Laufe unseres Jahrhunderts stand zwar der Zigeuner schon fast allein auf dem
Podium des Vortragenden, aber so wie die Bildung von Musikbanden hing auch das
Compouiren vom Einfluß zahlreicher, dem hohen und mittleren Adel ungehöriger Musik
liebhaber ab, welche entweder auf eigene Kosten begabte Primgeiger (primüs) und Banden
ausbilden ließen oder auch persönlich im musikalischen Vortrag und der Composition von
Palastmusik sich hervorthaten. So schwangen sich gewisse Zigeunerfamilien, deren
Mitglieder ihre Instrumente bis zum heutigen Tag auf einander vererben, in der Aus-
übung der Kunst zu größerer Meisterschaft auf. Die älteste Figur dieser Familien ist
Michael Barna, um 1737 Hof-Primgeiger des Cardiuals Grafen Emerich Csaky, der
ihm aus eigenem Antrieb unter sein lebensgroßes Bildniß den hohen Titel „Ungarischer
Orpheus" schreiben ließ. So hat auch das Zigeunermädchen Panna Cziuka, deren
Ungarn I. 84
zurück zum
Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Band
- 5
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 22.5 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch