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Eine weitaus bessere Lausbahn wurde Johann Bihari zutheil, der nicht nur die
Bewunderung des hohen und mittleren Adels genoß, sondern auch von den Fürstlichkeiten
in Wien bei festlichen Anlässen gern gehört wurde. Seine Eltern waren Zigeunermusikanten,
in Nagy-Abony (Preßburger Comitat) wurde er 1796 geboren. Fünfzehn Jahre alt,
machten ihn seine Genossen schon zum „Primas". Nach Budapest kam er mit dem Eymbal-
schläger Franz Bakos, der später die Kunst aufgab und in seinem dreistöckigen Hause in
der Grenadiergasse ein Gasthaus eröffnete. Um von dem gewaltigen Geigenspiel Biharis
einen Begriff zu geben, braucht man nur an die Scene zu erinnern, wie er am 1. Juli
1815 bei dem großen Ballfest auf der Margaretheninsel zu Ehren der Großfürstin
Katharina Pawlowna (Schwester der ersten Gemalin des Palatins Josef) mit so
hinreißender Glut spielte, daß die Tanzenden vor Bewunderung zu tanzen vergaßen.
Auf einer Kunstreise traf ihn zwischen Gyöngyös und Hatvan ein verhängnißvolles Miß'
geschick: sein Wagen stürzte um und er brach sich mehrfach den linken Arm. Keine ärztliche
Behandlung vermochte die Folgeübel davon ganz zu heben. Wenn er auch deßhalb nicht
ganz nnd gar aus der Öffentlichkeit verschwand, ging es doch mit seiner Kunst abwärts
und er gerieth in das tiefste Elend, woran freilich die verschwenderische Lebensweise des
ehedem reichlich bezahlten Künstlers die Hauptschuld trug. Noch in den letzten Augen-
blicken seines Künstlerthums erlebte er die ergreifende Scene, daß mehrere Magnaten,
vor denen er im „Zrinyi" spielte und die ihn in seiner Blütezeit gut gekannt hatten,
ihm den lahmen linken Arm ganz mit großen Banknoten bedeckten. Der Künstler vergoß
Freudenthränen und glaubte damals, seine alte Kraft würde ihm wiederkehren, aber
es war nur das letzte Aufflackern der Flamme gewesen. Er starb am 26. April 1827.
Johann Bihari war Naturalist, wie es die Zigeuner im Allgemeinen auch jetzt noch sind.
Aus diesem Grunde waren es meist Andere, welche seine poetisch-schönen „palotas«-
Weisen ausarbeiteten.
Die vierte hervorragende Gestalt ist Markus Rözsavölgyi. Das Andante der
,paIotäs"-Musik bestand zu seiner Zeit schon aus zwei Theilen, nämlich nach dem
Muster des Menuetts und deutschen Tanzes aus einem Theil und einem Trio. Der
Stil Rözsavölgyis ist melodiös und in der Figurirung glänzend; in formaler Hinsicht
fügte er zu den zwei Theilen noch vier hinzu, wodurch der ,palc»täs"-Tauz eine
Ähnlichkeit mit der französischen Quadrille gewann. So entstand die Musik des ersten
„Kör"-Tanzes, zweifellos nach französischem Muster, wie mindestens der allererste
.palotüs- in Nachahmung der italienische» Passamezzi. Rözsavölgyi wurde in Balassa-
Gyarmat 1787 geboren. Er war von jüdischem Ursprung, sein früherer Name Rosenthal.
Es ist nicht überflüssig, zu vermerken, daß zu jener Zeit der Zigeuner nicht der Einzige
war, der die ungarische Musik ausübte, sondern daß er sich mit dem Juden darein theilte,
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Band
- 5
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 22.5 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch