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aufzustellen. Dabei würde sich mancher Mißbrauch in der Verbindung von Texten
verschiedenen Inhalts mit fremden Melodien finden, welches Verfahren jedoch schon
seit König David auch bei den Kunstdichtern gebräuchlich geworden ist, wenn es auch
nur selten glücklich ausfällt; denn wenngleich die Stimmung des Textes zu der auf-
genommeneu fremden Melodie paßt, kann dieselbe trotzdem der Deklamation vollkommen
zuwiderlaufen.
Jede allgemein beliebte Melodie lebt mindestens ein Jahrhundert lang; ja, die
volksthümlichen Balladen, oder diejenigen, die sich auf große nationale Ereignisse beziehen,
leben ewig und erzeugen unzählige neue. Wir wollen nur einige Beispiele anführen.
„Komm mit mir Du, komm, mein Held, Du in die Schlacht..." Dieses alte Lied und
wahrscheinlich auch dessen Melodie hat Gyöngyösi im XVII. Jahrhundert verfaßt. Im
vorigen Jahrhundert verschmolz es, uuter einigem Variiren der Melodie, mit einem
Historienlied, welches folgendermaßen beginnt: „Ofen, o, Hnnnia liegt vor dem Türken
da" und, nachdem es die guten und schlimmen Tage Ofens besungen, mit der schließlichen
Vertreibung der Türken endigt. Auch dieser Text stammt nicht aus dem Volke, war aber
im Volke verbreitet und Schreiber dieser Zeilen hat Bruchstücke davon 1872 zu Mezö-
Kövesd noch vom Volke singen hören. Die stetige Entwicklung der Literatur hat zwar
dieses Lied, sammt Gyöngyösi, in den Hintergrund gedrängt, seine Melodie jedoch hat
bei den Szeklern mit einem anderen Texte einen neuen Bund geschlossen und daraus ist
das Selbstgespräch eines Heiratslustigen geworden, welches mit den Worten beginnt:
„Möchte wohl heiraten, weiß nicht, was ich thun soll". Schließlich ist daraus unter
wesentlicher Änderung von Melodie und Rhythmus das Lied geworden: „Drück' den Hut
ich in die Augen", in welcher Eigenschaft es in Szigligetis „Deserteur" (sxökütt katona)
auch auf die Bühne gelangt ist. Desgleichen hat das obenerwähnte Historienlied über
Stesan Kädär zu Anfang dieses Jahrhunderts noch gelebt, der den Tod des Helden
behandelnde Text war jedoch mit einem Gedicht von ganz anderem Inhalt vertauscht
worden. Der ursprüngliche Text gerieth also außer Verkehr und erhielt sich nur noch unter
den landstreicherischen Bettlern, die auf den Jahrmärkten der Dreißiger-Jahre mit
weinerlicher Stimme folgende, auf die Schlacht von Päpolcz bezügliche Anfangszeilen
desselben hernnterznplärren pflegten:
„Kädär hob die Augen auf zu Himmels Höhen,
Rief: Mein Herr, mein Jesus, komm, mir beizustehen!"
Die SMer singen, wenn auch nicht allgemein, doch in manchen Ortschaften
noch heute ihre altvaterisch schmackhaften, in kirchlicher Tonart gehaltenen Balladen,
welche aus viel älteren Zeiten als die eben genannte erhalten geblieben sind. Nach der
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Band
- 5
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 22.5 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch