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das weiße Ärmelhemd wieder — ein wahres Meisterwerk — umfangen vom Seiden-
tüchlein, das vor der Brust geknotet ist, und an der Taille festgehalten durch den farbigen
Gürtel des Rockes. Uransiedler wohnen da, über die am Ende des vorigen Jahrhunderts
Pater Ubaldus eiuem baierischen Bischof folgende Schilderung sandte: „kZorniiies kunno-
tataricae vriAiiiis, spprime naturain kullAmiesiu exprimunt. klares pellibus, koemiiiae
cannabiiiis, «Ziversis .jüiiolicis eoloridus imdutis inoeckunt.^ (Ein hunnisch-tatarischer
Stamm, der die ungarische Natur wahrhaft ausprägt. Die Männer gehen in Thierfellen,
die Frauen in Leinwand, welche mit verschiedenen teuflischen Farben gefärbt ist, einher.)
Er hatte Recht, was die Tracht betrifft. Der mit rothen Saffianblumen benähte
XüÄmön (Lederwamms) diente Mann und Weib als gewöhnliches Winterkleid; das
Galakleid war bei dem Manne ein rein weißer, kurzer Szür-Rock von schönem Schnitt,
lose umgehängt, im Übrigen schwarzes Tuch, schwarze Stiefeln und runder Filzhut.
Charakteristischer als diese Tracht ist das alte, aber auch jetzt noch allgemein gebräuchliche
weite, noch nicht bis zur halben Wade reichende Linnenbeinkleid bei den Burschen. Ebenso
kurze, flotte, farbige Röcke (bokvr uFrös) trägt die weibliche Jugend. Den Kopf bekränzen
die Mädchen mit einem perlenbesetzten Jungfernkranz, von dem auf Stirne und Schläfe
blaue und rothe Bänder niederflattern. Nach der Hochzeit tritt an die Stelle des Jungfern-
kranzes (xärta) ein netzartiges Häubchen, das sich wie eine halbe Melonenschale über den
Vorderkopf legt, und auch die farbigen Bänder flattern jetzt nicht mehr vorne, wie in der
Mädchenzeit, sondern vom Rückentheil der Haube auf den Hals hinab. Den Kopf über-
wallt ein breiter, weitschichtiger Schleier (Deckel) und die neugebackenen Weibchen stecken
ihn mittelst großer Stecknadeln, deren farbige Glasknöpfe eine Krone bilden, an der
Stelle fest, wo früher die ,pärta° schimmerte. Was die zierlichen Füße betrifft, so kämpft
um sie der fremdländische Sammtschuh mit dem einheimischen rothen Stiefel einen Kampf
auf Leben und Tod. Stiefel und Schuhe aber haben hohe Hacken und im Absatz verborgen
eine kleine „Schelle" (Mädchensporen). Reizend klingen die vielen kleinen Dinger, wenn
auf dem grünen Tanzplatz zu Decs oder Csauäd die Mädchen zu Hunderten ihre
Reigen schlingen.
Das wäre denn die Volkstracht einiger Gegenden. Es ist jedoch beinahe unmöglich,
die Variationen der ungarischen Volkstracht in ein erschöpfendes System zu fassen; auch
die Gesetze unseres Tanzes und der Rhythmus unserer Volkslieder widerstreben ja solchem
Zwange. Der Zweck unserer Darstellung war es nicht, die ungarische Volksmode zu
behandeln, welche dem Wechsel unterworfen ist, sondern die Volkstracht, welche sich auf
Grund feststehender Motive entwickelt. Wir suchten die Volkstracht nicht in den volkreichen
Städten des Alföld, dereu Bevölkerung infolge zunehmenden Wohlstandes, wachsender
Bildung und fortwährender Berührung mit anderen Racen und Classen unwissentlich,
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Band 5
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Band
- 5
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 22.5 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch