Seite - 19 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Oberösterreich und Salzburg, Band 6
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kolossaler Blöcke führt der kaum erkennbare Pfad. Hier drohen tiefe Höhlungen, von
tausendjährigem Moder trügerisch überdeckt, dort ragt eine gigantische Mauer, ein trotziger
Thurm aus gewaltigen Quadern regelrecht aufgebaut über die Wipfel der breitästigen
Tannen empor. Bald streift das Gesicht ein Wedel mannshohen Farrenkrautes, bald der
verdorrende Ast einer grauen Wettertanne, deren zottiger Bart von den brauenden Herbst-
nebeln, die oft wochenlang über den Bergen hängen, deren dichtgedrängte Zweige vom
erstarrenden Froste, deren gebrochener Wipfel von der Macht der Windsbraut, die über
die Berge fährt, berichten. Um sie schwärmt der Borkenkäfer, dieser kleine und doch so
furchtbare Feind des Waldes, der zu Anfang der Siebziger-Jahre Tausende vou Hektaren
im Böhmerwalde verwüstete. Viele absterbende und abgestorbene Stämme zeugen von der
Ungunst des Klimas, aber aus den Überresten der gestürzten alten grünt in langen Zeilen,
Rannen genannt, lustig die junge Generation. Ein dichter Filz von Moosen und Pflanzen-
moder überspinnt die gefallenen Riesen, erfüllt die Zwischenräume der Steiutrümmer,
breitet sich in den Waldblößen ans. (Zermanin silvis kvrricku -uit palu<ZibuZ toecka, sagt
Taeitus, und hier passen noch vollkommen seine Worte.
Auf einem der höchsten Punkte des Steingemäuers laden natürliche Auswitterungen
in Sesselform zum Verweilen. Weithin breiten sich die alte Ostmark, das Baierland, aus.
Über das grüne Mühlthal, die duuklen Waldkuppen und braunen Felder am Grenzzuge
gegeu Baiern blickt der Sauwald, schou am liuken Donau-Ufer gelegen, dahinter erscheint
in dämmernder Ferne, vom blanen Hausruck gesäumt, die lange Alpenkette, die man vom
Stanfsen in Baiern bis zum Schneeberge im Süden der Kaiserstadt an der Donau über-
sieht. Tiefes, schier beängstigendes Schweigen herrscht ringsum, nur die Wipfel rauschen
leise im Winde, hier und da vernimmt man das Hämmern eines Spechtes, den schrillen
Ton einer Meise.
Durch wohlgepflegten Hochwald, in dessen Blätterdach Bergfinken fröhlich ihr Lied
schmettern und Holztauben brüten, geht es hinab ins Mühlthal, zn den Wohnstätten der
Menschen. Da breitet sich Schwarzenberg aus, dort winkt uns Ulrichsberg, auf einem Hügel
gelegen, gastlich entgegen, durch manches Dörfchen mit flachen, steinbeschwerten Dächern
führt die Straße im welligen Mühlthal, nun wird der stattliche Markt Aigen sichtbar mit
seinem schlanken Kirchthurm, die pappelgesäumte breite Straße führt am Friedhofe vorbei
zum nahen Stifte Schlägt, das mit seineu Wirthschaftsgebäuden und Gärten sich bis zur
weißschäumenden Mühel ausdehnt. Ein Herr von Falkenstein, dessen starkes Schloß in
einer romantischen Thalschlucht ein paar Meilen südlich an der Donan lag, that, in der
Wildniß verirrt uud seiu Haupt auf einen Holzhanerfchlägl zur Ruhe legend, einst das
fromme Gelübde, an dieser Stätte ein Kloster zu stiften. Siebenhundert Jahre sind seitdem
vergangen, sein Geschlecht ist ansgestorben, die Trümmer der Bnrg kaum noch unter
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Band 6
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Oberösterreich und Salzburg
- Band
- 6
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1889
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.03 x 24.86 cm
- Seiten
- 650
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch